Mystique
Wildshut
AUT

Trockeneisnebel wallen durch die Halle, dumpfe Bässe wummern, junge Damen verbiegen ihre schlanken Körper und kämpfen mit Wogen und Wind. Eine Segeljolle stampft, rollt und giert durch imaginäre Fluten, wirbelt im Strudel hilflos im Kreis, bis sie nach abenteuerlicher Fahrt ihre Destination erreicht, irgendwo in der Mystik unserer Imagination.

Kampf mit Wogen und Wind

Die von Hubert Lepka geleitete Künstlertruppe lawine torrèn schlägt uns in ihren Bann, und auch wenn sich mir die künstlerische Fülle dieser Darbietung vielleicht nicht restlos erschließt, bin ich begeistert und fühle die Spannung auf das, was jetzt kommt.

Schon im Dezember war die heutige Bier-Premiere im Stiegl-Gut Wildshut angekündigt worden. Mit diesem kleinen Landgut weit vor den Toren der Stadt Salzburg leistet sich die Brauerei eine kleine Perle, in der alte Kulturtechniken und überliefertes Handwerk, beste Zutaten aus eigenem, biologischem Anbau und moderne wissenschaftliche Erkenntnisse zusammenspielen und nicht nur besondere Bierspezialitäten, sondern auch feinste und schmackhafte Gerichte entstehen lassen.

monatelange Reifung in Holzfässern

Viele Monate hatten die Holzfässer im alten Ziegelgewölbekeller des Guts gestanden und in der kühlen und feuchten Umgebung reifte ein ganz besonderes Bier vor sich hin, dessen Entstehung geradezu mystisch anmutet. Hefezellen, säurebildende Bakterien, Aromastoffe aus dem Holz, komplexe Zucker, Polyphenole und isomerisierte Alphasäuren vermählten sich in dieser Zeit zu einem wunderbaren Bier – dem Mystique.

Die Segeljolle hat ihr Ziel erreicht. Die Nebel lichten sich, die Bässe verklingen, und wie aus dem Nichts stehen plötzlich die Flaschen und Gläser mit dem Mystique vor uns auf dem Tisch. Seine kräftige Kupferfarbe betört ebenso wie der komplex-saure, erdige, ein bisschen pulvrig-trocken und gleichzeitig puderig-kremig wirkende Geruch, der Frucht-, Vanille-, Holz- und Malznoten in einer aciden Matrix in sich vereint. Der Schluck bestätigt alles, was die Nase vorher versprochen hat. Eine gewaltige, im ersten Moment fast überfordernde Komplexität mit einer kräftigen, aber dennoch balsamweichen Säure prägt den ersten Schluck. Der zweite ist schon deutlich milder und runder, die Zunge und der Gaumen gewöhnen sich an die überraschenden Extreme, und spätestens beim dritten Schluck macht sich eine große Zufriedenheit breit.

Hier ist im Zusammenspiel mit den Braumeistern Christian Pöpperl von der Stiegl-Brauerei und Markus Trinker und Sebastian Essl vom Stiegl-Gut Wildshut eine ganz wunderbare Spezialität entstanden.

Sebastian Essl, Markus Trinker, Christian Pöpperl

Jason S. Turner, der bekannte Weinsommelier, Käseverkoster und Whiskykenner steht auf der Bühne und präsentiert uns die Feinheiten des Biers, während die Küche des Stiegl-Guts unter Leitung von Stefan Sigl eine ganze Reihe vorzüglicher Spezialitäten servieren lässt, die das Bier sich immer wieder neu entfalten lassen – egal, ob Ochsenmark vom Pinzgaurind mit Malztopinambur und Zwetschge, Pomme Frite Belgique mit Lardo oder schwarzem Trüffel, glasierte Hühnerleber mit Rote Bete und Aronia auf einer belgischen Sauerteigwaffel oder schließlich Räucheraal und Schnecken in grüner Soße mit Koriander, Limetten und Minze. Ein Genusserlebnis jagt das nächste.

ein Genusserlebnis jagt das nächste

Beim Einlass waren wir mit Bio-Perlage, einem fast schon sektähnlichen Bier, und einfachem, knusprig-frischem Holzofenbrot mit selbstgemachter Butter und Schnittlauch begrüßt worden, und die Küche hat uns damit gezeigt, wie hervorragend ganz simple Dinge schmecken können. Und nun wird für alle Sinne gezaubert.

Langsam legt sich die erste Aufregung, und es folgt Akt Nummer Zwei. Diesmal ohne künstlichen Nebel und Akrobatik: Neben dem Mystique wird ein weiteres Bier, das Antique vorgestellt. Eine Neuauflage, keine Premiere. Hervorgegangen aus dem Urbier, einem Experiment, bei dem die Brauer versucht haben, ein historisches Rezept aus den Frühtagen der Menschheit nachzubrauen. Viel Versuch und Irrtum stecken in der Entwicklung dieses Biers, aber das, was uns heute serviert wird, beweist, dass der Aufwand gerechtfertigt war.

Perlage, Mystique, Antique

Weit jenseits dessen, was der normale Volumentrinker unter „einem Bier“ versteht, beeindruckt Antique mit würzigen Anis-, Frucht-, Honig- und Fenchel-Aromen, einem mächtigen Körper und einem langen, komplexen Finish, in dem dunkle Früchte, Gewürze und süßliche Kräuteraromen zu spüren sind. In Kombination dazu gibt es jetzt wieder etwas ganz Simples: Einfach nur ein paar große Stücke Emmentaler Käse. Mild und kremig, mit einer dezenten Milchsäure, nimmt der Käse die komplexen Aromen des Antique auf, rundet die Ecken und Kanten ab und unterstreicht die Komplexität des sensorischen Erlebnisses doppelt.

Die Schau hat ein Ende. Wir haben uns blendend amüsiert, hervorragend genossen, und nun ist Zeit, sich zu unterhalten. Gefühlt „die ganze Bierwelt“ ist gekommen, Menschen, die sich lange nicht mehr getroffen haben, oft nur im virtuellen Raum kommuniziert haben oder sich vielleicht nur auf Bildern in der Brauwelt oder anderen Zeitschriften gesehen haben, genießen wieder den unmittelbaren, persönlichen Kontakt. Bier braucht Geselligkeit, und Geselligkeit braucht Bier, und so fließen die „Standard“-Biere des Stiegl-Gut Wildshut – das Sortenspiel, das Hopfenherz und der Malzreigen – in Strömen, es wird gelacht, erzählt, gefachsimpelt, und nur nach und nach verlassen die Gäste die schön geschmückte Moar-Halle und fahren mit den bereitstehenden Shuttles wieder zurück nach Salzburg.

Sortenspiel, Hopfenherz, Malzreigen

Das Stiegl-Gut Wildshut ist immer wieder ein Erlebnis, und der heutige wilde und mystische Abend mit Sicherheit ein ganz besonderer.

Die beiden heute vorgestellten Bierspezialitäten – Bio Mystique und Bio Antique – sind nur in kleiner Auflage erhältlich, aber es lohnt sich, sich auf die Pirsch zu machen und sie zu ergattern. Große Bierempfehlung!*

Bildergalerie

Mystique
Stiegl-Gut Wildshut
Wildshut 8
5120 Wildshut
Österreich

* … und dies schreibe ich ausdrücklich NICHT, weil ich zum heutigen Abend von der Stiegl-Brauerei eingeladen worden bin, sondern weil mich diese beiden Biere wirklich überzeugt haben. So gut solltet Ihr mich kennen …

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