„Wollen wir uns nach Weihnachten mal für ein paar Tage so richtig verwöhnen lassen?“ Meine holde Ehefrau schwärmt mir von Franken vor: „Da waren wir schon länger nicht mehr!“ Und so war der Entschluss schnell gefasst: Ein schönes Silvesterarrangement, vier Übernachtungen in einer Brauerei mit viel gutem Essen und noch viel mehr gutem Bier.
Das Ergebnis: Eine Art Tour de Bier, nur für uns.
Mittwoch, 28. Dezember 2022
Die Anfahrt am Mittwoch nutzen wir schon, um einen kleinen Zwischenstopp einzulegen – in der Brauerei Eichhorn in Dörfleins. Eine Brauerei mit Brauereigasthof, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Urige Atmosphäre, ein wortkarger, aber freundlicher Wirt, viele, viele Stammgäste und ein hervorragendes unfiltriertes Bockbier. Selbst bei den Preisen scheint die Zeit stehengeblieben zu sein – ein halber Liter Bockbier für 3,80 EUR? Das ist schon nahe dran am Bierparadies!
Am späteren Nachmittag checken wir dann im Brauereigasthof Drei Kronen in Memmelsdorf ein. Früher haben wir ab und an mal hier übernachtet, aber unser letzter Besuch ist mittlerweile schon ein paar Jahre her. Die Brauerei und der Hotelbetrieb haben den Generationswechsel mittlerweile hinter sich, HaLu Straub hat den Betrieb 2016 an seine beiden Töchter Isabella und Lisanna und deren Ehemänner übergeben, sein Sohn arbeitet als Koch in der Küche, und HaLu schwebt als guter Geist über allem und wirkt im Hintergrund immer noch fleißig mit. Schön, wenn der Staffelstab so problemlos an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Alles richtig gemacht!
Schnell ist das geräumige und urgemütliche Zimmer bezogen, und wir erfreuen uns an Kleinigkeiten wir der Stirnseite des Betts in Form eines Sudkessels oder der Seife und dem Duschgel im Bad auf Hefe- beziehungsweise Hopfenbasis.
Um halb sieben treffen wir uns mit den anderen Hotelgästen zum Glühbier im Innenhof. HaLu und Schwiegersohn Swen haben aus Bockbier, Kirschsaft, Wildhonig und Bierschnaps ein zwar klebriges, aber sehr schmackhaftes Gebräu gemischt – ein schöner Aperitif für die folgende, sehr deftige fränkische Brotzeit.
fünf Biere hat es zur Auswahl
Fünf Biere hat es derzeit im Angebot, und wir haben zum Glück ein paar Abende, um sie der Reihe nach verkosten zu können – für heute lege ich meinen persönlichen Schwerpunkt auf Die helle Lotte, das 4,7%ige und höchst durchtrinkbare Helle und auf das Stöffla, das 5,0%ige Rauchbier. Nur ein Hauch von Rauch, nicht so kernig wie das Leitbild aller Rauchbiere aus dem Hause Schlenkerla – dadurch aber fast genauso durchtrinkbar wie das Helle.
Abgerundet wird der Abend mit lustigen Liedern, begleitet von der Quetsch’n.
Donnerstag, 29. Dezember 2022
Der Donnerstag beginnt nach einem deftigen Frühstück mit einer Busrundfahrt durch die idyllische Fränkische Schweiz. Auch wenn jetzt, Ende Dezember, nichts grünt und blüht (und leider auch kein Schnee liegt), so hat die Region doch ihren ganz eigenen Zauber, und wenn der Bus gemütlich an der sich malerisch windenden Wisent entlangrollt, gehen die Gedanken auf Reisen.
Wir besichtigen die Teufelshöhe in Pottenstein und die Basilika in Gößweinstein, und dann kehren wir zur verspäteten Mittagsrast im Brauereigasthof Rothenbach ein, in Aufseß, einer kleinen Gemeinde mit nur einer Handvoll Einwohnern, die aufgrund ihrer vier Brauereien im Guinness-Buch der Rekorde verzeichnet ist – als die Gemeinde mit der größten Brauereidichte weltweit.
Das simple, aber charaktervoll-würzige Aufsesser Lager mundet mit seinen 5,1% Alkohol ebenso wie die Bratwürste mit Sauerkraut – fränkisch-typisch als Dreierle serviert. Ein Paar hat in Franken immer drei Würste statt zwei – egal, ob drei Bratwürste, drei Weißwürste oder die klassischen „Drei im Weggla“. Fein!
So vergeht der Tag wie im Flug, und schon ist es achtzehn Uhr. Zeit für einen Brauereirundgang. HaLu Straub und seine Tochter Isabella führen uns in zwei Gruppen durch das winzige Sudhaus.
im Sudhaus
HaLu erzählt viel aus der Geschichte seiner Brauerei. Zwar erliegt er der Versuchung, Dinge über das sogenannte „Reinheitsgebot“ zu erzählen, die objektiv falsch sind („seit über 500 Jahren unverändert gültige Lebensmittelvorschrift“ und so …), aber er macht’s auf eine so charmante und humorvolle Art, dass ich ihm gar nicht böse sein kann. Und zu einem Großteil ist es – leider … – auch der Kundenerwartung geschuldet.
Gut gefällt, dass beide, er und seine Tochter Isabella, offen damit umgehen, viele Lohnsude für Bierbars, Restaurants oder sonstige Betriebe zu brauen. So lasten sie ihre kleine Brauerei gut aus, verdienen sich ein Zubrot und tragen zur Vielfalt der deutschen Bierlandschaft bei. Warum viele andere Brauereien daraus ein Geheimnis machen und es peinlich finden, wird mir immer ein Rätsel bleiben.
Selbst die Zwickelprobe erfolgt aus einem der Tanks mit einem Lohn-Bier: Heinala – ein würziges, helles Lagerbier, das zwar noch eine leichte Schwefelnase hat, aber das darf es, die Reifung ist ja noch nicht abgeschlossen.
Witzig auch, dass im Brauereigasthof Drei Kronen die Lagertanks nicht durchnummeriert, sondern nach Familienmitgliedern benannt sind: Kathi, Hans, Ludwig, Gertrud, Gottfried, Babette …
Gut und gerne anderthalb Stunden haben wir in Sudhaus und Lagerkeller verbracht, und nun geht’s ins Restaurant zum Bierkulinarium. Drei Gänge, drei Biere. Da darf der Koch mal so richtig zeigen, was er kann … und was man mit Bier alles kochen kann.
Als Vorspeise gibt es Zwetschgenbames, fettarmen Rauchschinken vom Rind, der eine Maserung aufweist wie das Holz vom Zwetschgenbaum und daher in Franken so genannt wird. Dazu Salat mit Erdbeervinaigrette, und begleitet wird dieser erste Gang vom Stöffla, dem würzigen Rauchbier, dessen dezente Raucharomen perfekt zum Zwetschgenbames passen.
Der Hauptgang ist ein Hühnerfilet in Malzkruste mit Kartoffelpuffern und Stangenbohnen im Speckmantel, das alles serviert mit einer Biersoße vom Allerfeinsten. Dazu das kernige Lager, ein hellkupferfarbenes und sehr würziges Bier, dass auch in der Soße verwendet worden ist.
Und schließlich das Dessert: In Zimt und Zucker gebackene Apfelringe, Weißbiersorbet und eine Zabaione mit Bockbier. Dazu … natürlich das Böckla, das wunderbar weiche und runde und mit 6,2% Alkohol gar nicht mal so starke Bockbier. Genau das, das sich auch in der Zabaione wiederfindet. Was für ein Genuss!
Ein herrlicher Abschluss eines schönen Tages.
Freitag, 30. Dezember 2022
Der Freitag sieht uns im Linienbus nach Bamberg, wo eine Stadtführung auf uns wartet. Fast zwei Stunden lang sehen wir die schönsten und bekanntesten Ecken Bambergs, und auch wenn wir die Stadt schon kennen, so sind wir doch wieder begeistert.
Den Rest des Tages „haben wir frei“, soll heißen, wir beginnen … die Bamberger Bierszene zu erkunden.
Von unserer Stadtführerin haben wir erfahren, dass es die berühmteste Currywurstbar Deutschland, das Rixx, nicht mehr gebe, dass sich in dessen Räumlichkeiten nun aber ein Ausschank einer neuen Brauerei befände. Klar also, wohin unser Spaziergang als erstes führt.
Das Hopfenhaus befindet sich nun unter der Adresse Austraße 16, und es handelt sich um ein kleines italienisches Café, dass die Biere der noch jungen Hopfengarten-Brauerei aus der Gärtnerstadt anbietet. Es ist erst Mittag, und so beschränke ich mich auf einen Schnitt vom Hopfen Rauch, ein Bier, das mit Hopfen gebraut wird, der vorher geräuchert worden ist. Eine ganz besondere Art von Rauchbier, wenn auch streng genommen eine Spielerei. Aber eine schmackhafte. Dezente Rauch- und Fruchtaromen ergänzen sich überraschend gut und machen dieses 5,1%ige Bier sehr durchtrinkbar.
Der Genuss weckt in uns die Neugier, und wir wandern knapp zwei Kilometer durch die Stadt bis zum „Mutterhaus“, also der Brauerei Hopfengarten. Um die Strecke nicht umsonst zurückzulegen, checken wir ausdrücklich vorher im Internet die Öffnungszeiten, und um so größer ist die Enttäuschung, dass an der Tür ein Zettel hängt, der auf Betriebsferien hinweist. Wie ärgerlich – als ob das nicht auch schon auf der Website hätte bekanntgegeben werden können.
Etwas frustriert dackeln wir die ganze Strecke zurück und kehren am Obstmarkt in den Ausschank Brüderla der BroBier-Brauerei ein. BroBier, das ist eine Wanderbrauerei, die ihre Biere in Reckendorf auf der Anlage der dortigen Schlossbrauerei herstellt und in Spezialläden, der Gastronomie und insbesondere in diesem Ausschank verkauft.
Bis zum Frühjahr diesen Jahres befand sich unter dieser Adresse noch das Bierhaus Bamberg, aber das hatte sich nach seinem vom Pech verfolgten Start (es hätte unmittelbar zu Beginn des ersten Lockdowns öffnen sollen) nicht halten können – die finanziellen Reserven waren wohl nicht ausreichend, eine zweijährige Durststrecke zu überstehen. Des einen Leid, des anderen Freud – die Macher von BroBier kamen so an eine ansprechend eingerichtete, neu renovierte und sehr schön gelegene Immobilie für ihren Ausschank.
Die freundlichen jungen Leute hinter der Bar erläutern gerne das Angebot, und wie so oft läuft es darauf hinaus, dass ich einen Tester mit fünf Bieren bestelle. Vier Mal BroBier und ein Mal Reckendorfer:
- BroBier – Helles (4,7%)
- BroBier – Fränkisches Vollbier (4,7%)
- BroBier – Fränkisches Rotbier (4,7%)
- Reckendorfer – Keller-Bier (5,0%)
- BroBier – Freiraum Ale (5,2%)
Fünf sehr schöne und durchtrinkbare Biere – dafür ist Franken ja bekannt, dass die Biere nicht nur schmackhaft, sondern eben auch sehr, sehr durchtrinkbar sind, so dass man problemlos auch drei, vier Halbe ein und derselben Sorte trinken könnte.
Nach fünf Bierpröbchen regt sich der kleine Hunger, und in der einfachen Speisekarte finde ich ein Krustenbratenbrötchen. Ein belegtes Brötchen? Genau das Richtige, denke ich.
Serviert wird mir ein halbes Schwein, zwischen zwei Brötchenhälften geklemmt. Puh!
Extrem lecker, aber auch extrem viel – eine echte Vollmahlzeit. Nun gut, dann gibt es später nichts mehr zum Abendessen. Auch recht.
Ein schöner Besuch!
Das Telefon klingelt – es meldet sich Georg Lechner, das in der deutschen Bier- und Brauerszene weithin bekannte Original. „Bist Du in Bamberg? Ich hole Dich ab, wir fahren nach Weiher zur Brauerei Kundmüller, ich habe dort schon angerufen, die warten auf uns!“
Gesagt, getan. Gemeinsam mit unseren Frauen fahren wir die paar Kilometer raus aus der Stadt, und es beginnt ein wilder Verkostungsabend. Ossi und Roland Kundmüller, die beiden Brüder, denen die Brauerei nebst Gasthof gehört, setzen sich zu uns, wir erzählen, albern herum und trinken vor allem jede Menge spannende Biere:
- Weiherer Rauch (5,3%)
- Weiherer Rauchbock (7,0%)
- Weiherer / Browar Mariental – Chybotek Porter Bałtycki (7,5%)
- Summer Ale (5,2%)
- Weiherer / Fat Headʼs Brewery – Imperial IPA (9,0%)
- Weiherer Lager Hell (4,7%)
Volker und Ossi
Phasenweise schleppt Ossi die Biere so schnell ran, dass ich mit meiner Dokumentation gar nicht hinterher kommen, und so fehlt doch tatsächlich ein Foto vom Summer Ale …
Aber es ist ein wunderbarer Abend!
Sonnabend, 31. Dezember 2022
Sonnabend, der Silvestertag, beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück und der LeSiWiWaHaLu, wie es im Programm steht – der legendären Silvester-Winterwanderung mit Hans Ludwig Straub. Eigentlich nicht mehr als ein längerer Spaziergang, aber aufgrund der herrlichen Kulisse von Schloss Seehof und der zahlreichen Anekdoten, die HaLu zu erzählen weiß, doch eine schöne Sache.
Die schönste Sache ist natürlich die Brotzeit vor dem schon seit Jahrzehnten stillgelegten Bierkeller der Drei Kronen. HaLus Frau Lieselotte und Sohn Felix haben ein paar Partyfässer mit Festbier bereitgestellt und verwöhnen uns mit fränkischen Bratwürsten und Sauerkraut. Die fast ungewöhnlichen Temperaturen, eine Wetteranomalie beschert uns heute 18°C, lassen uns fühlen, als seien wir im Spätsommer auf dem Keller eingekehrt, und dementsprechend ist auch der Durst schon ein recht ordentlicher!
Sechseinhalb Kilometer, ein paar Bratwürste, eine ordentliche Portion Sauerkraut und drei Gläser Festbier liegen hinter uns, als wir wieder im Brauereigasthof Drei Kronen einlaufen. Zeit für eine ausgiebige Mittagsrast, um Kraft zu schöpfen für die große Silvesterparty.
die festlich gedeckte Tafel
Punkt 19:00 beginnt das Silvesterdinner im wunderschön geschmückten Spiegelsaal der Brauerei. Es beginnt mit geräuchertem Forellenmousse und gebratenen Garnelen auf Wildkräutersalat mit Toast, und ich entscheide mich für das klassische Lagerbier als Begleitung zu dieser Vorspeise. Die kernigen Aromen des Biers nehmen es mit dem Knoblauch der Garnelen ebenso souverän auf wie mit dem intensiven Geschmack der Forellenmousse. Passt.
Zum zweiten Ganz, der klaren Tomatensuppe mit grünen und weißen Ricotta-Klößchen passt die Helle Lotte, also das klassische, nur schwach gehopfte Helle hervorragend. Die Tomatensüße und die Malzsüße gehen Hand in Hand.
Als Zwischengang folgt als drittes ein Zitronensorbet, und anstatt es mir, wie angeboten, mit Sekt aufgießen zu lassen, genieße ich dazu das Böckla, den malzigen, weichen und süßen Bock, der die frischen Zitronenaromen nur zu gerne aufnimmt.
Der vierte Gang ist schließlich die Hauptspeise: Gegrilltes Kalbsrückensteak in der Estragonkruste and Portweinjus, dazu kleines Gemüse und Pommes Macaire. Die kräftige Würze der Estragonkruste und das Umami des Kalbsfleischs passen gut zum leicht rauchigen Geschmack des Stöffla, und innerlich klopfe ich mir schon auf die Schulter, wie hervorragend es mir gelungen ist, zu jedem Ganz jeweils ein passendes Bier zu bestellen.
Es folgt noch die Nachspeise, Champagnermousse auf Beerenspiegel mit gebackenem Vanilleeis. Ein zuckersüßer Traum, klebrig, mächtig und schwer, und gerade noch rechtzeitig erinnere ich mich, dass die Drei Kronen doch auch ein India Pale Ale im Angebot hat, auch wenn es nicht in der Silvestermenükarte steht. Die nette Bedienung erbarmt sich und macht sich extra auf den Weg, mir eine Flasche des Nessie Kühlschiff-IPA zu holen. So ein Glück: Die kernige Hopfenherbe und der runde Malzkörper kontrastieren im allerbesten Sinn mit der Süße des Vanilleeises und der dicken, zuckrigen Panade rundherum.
Fünf Gänge, fünf Biere – es ist einfach vorzüglich!
Punkt Mitternacht findet auf der Straße natürlich ein großes Feuerwerk statt, und mit klingenden Ohren wenden wir uns noch auf eine kleine Mitternachtssuppe zurück in den Festsaal, wo das Dinner mit dezenter Livemusik gegen zwei Uhr morgens langsam ausklingt.
Sonntag, 1. Januar 2023
Der Neujahrssonntag sieht uns erstaunlich frisch und munter am Frühstückstisch, und gemeinsam konstatieren wir: Das war ein wirklich gutes Silvesterarrangement. Vier schöne Tage mit spannenden Bieren und kurzweiligen Erlebnissen. Ein großes Lob an das Team der Drei Kronen!
Brauereigasthof Drei Kronen
Hauptstraße 19
96 117 Memmelsdorf
Bayern
Deutschland
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