Ein Erlebniszentrum rund um den Hopfen – das ist das Hopfengut N°20 in Tettnang.
Vor vielen Jahren war ich schon einmal hier gewesen, und zwar 2006 im Rahmen der Haus- und Hobbybrauertage 2006, dem Jahrestreffen der Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer in Deutschland e.V. Nach Jahreshauptversammlung, Vorstandwahlen und Diskussionen über Satzungsänderungen bot uns der nächste Morgen die Gelegenheit, oberhalb von Tettnang unter der Adresse Hopfengut 20 das Tettnanger Hopfenmuseum zu besichtigen.
das Tettnanger Hopfenmuseum vor vierzehn Jahren
Interessant war es gewesen, und dass es rundum eingebettet in unendlich lange Reihen von reifen Hopfenranken liegt, war mir auch seinerzeit schon positiv aufgefallen.
Heute aber, vierzehn Jahre später, präsentiert sich das Museum nur als ein kleiner Teil eines regelrechten Hopfen-Vergnügungsparks, dem Hopfengut N°20. Schon als wir das Auto auf dem Parkplatz abstellen, geht es los, und wir haben die Qual der Wahl: In alle möglichen Richtungen möchte uns der mit Moos und Flechten bewachsene Wegweiser senden.
eine Vielzahl von Optionen
Wir wenden uns nach links und erkunden zunächst den Bier Stängel, die Museumsstube, in der das hier vor Ort mit dem eigenen Hopfen gebraute Bier zum Ausschank kommt und sich die Besucher des Museums vor oder nach dem Rundgang stärken können.
Die Sonne lacht und die Hopfenernte ist in vollem Gange, und so sind wir nicht überrascht, dass im Biergarten vor der Museumsstube alle Plätze besetzt sind. Drinnen wäre noch viel Platz, aber unter den Corona-Bedingungen halten wir das nicht für eine gute Alternative. „Dann gehen wir erst durch das Museum. So lange musst Du Deinen Bierdurst halt zügeln“, entscheidet meine holde Ehefrau.
die Eintrittskarte ins Museum
„Bierdurst zügeln, Bierdurst zügeln“, grummele ich. „Die weiß ja gar nicht, wie schwierig das ist!“ Ein bisschen widerwillig füge ich mich aber. Und werde letztendlich nicht enttäuscht. Auf zwei Stockwerken präsentiert uns das Museum nicht nur die Geschichte des Hopfens, zahlreiche Gerätschaften und einige Dioramen, die darstellen, wie die Hopfenernte früher vonstattenging, sondern wir werden auch mitten durch die Hopfenernte geleitet.
An der Hopfendarre gehen wir vorbei, auf der die frischen Hopfendolden im warmen Luftstrom getrocknet werden und dabei den Raum mit wunderbaren Aromen füllen.
Eine kleine Brücke führt uns auf eine Aussichtskanzel mitten im Hopfenfeld, wo wir in fünf Metern Höhe in den Hopfengarten hineinsehen können. Wir sehen, wie die Drähte befestigt sind, wie sich die Hopfenpflanzen an ihnen hochranken, und wir betrachten die dicken Hopfendolden ganz aus der Nähe.
Blick aus luftiger Höhe ins Hopfenfeld
Zurück über die Holzbrücke und dann ein paar Schritte nach links. Staunend stehen wir über einer riesigen Hopfenpflückmaschine, an der emsiges Treiben herrscht. Traktoren kommen mit ihren schmalen Anhängern, auf denen riesige Berge frisch heruntergerissener Hopfenranken liegen, und laden ihre Fracht auf große Haufen. Dann werden die Hopfenranken einzeln an Haken gehängt und gelangen vollautomatisch in die Maschine. Unter großem Getöse werden hier die Blätter und Dolden von den Ranken gezupft, danach über verschiedene Siebe, Rüttelbänder und Gebläse geführt, voneinander getrennt, und nach geraumer Zeit verlassen am anderen Ende zwei Ströme die Maschine: Links der Grünabfall und rechts, auf einem Endlosband, die strahlend grün leuchtenden Hopfendolden.
die Hopfenpflückmaschine läuft mit voller Kraft
Das Förderband trägt die frischen Dolden hinüber zur Darre, die wir eben schon gesehen haben. In einer langen und gleichmäßigen Schicht wird sie beladen, und dann kommt es darauf an, die Dolden in möglichst kurzer Zeit schonend zu trocknen.
Schön, wenn eine statische Ausstellung jetzt, zur Erntezeit, auch mit einem detaillierten Einblick in die in dieser Phase harte Arbeit auf dem Hof kombiniert werden kann.
auf der Hopfendarre wird der Hopfen schnell und schonend getrocknet
Der Rundgang führt uns nun, wie bei fast jedem Museum, in den Souvenirshop, der allerdings ein zusätzliches Extra aufweist: In einer Ecke dieses großen Raums steht nämlich das kleine Sudwerk, auf dem Fritz Tauscher, der Braumeister der Kronenbrauerei in Tettnang, den hier geernteten Hopfen verbraut. Die so entstehenden Biere können unten im Bier Stängel oder dem Biergarten davor verkostet werden – oder man nimmt sich ein kleines Fläschchen aus dem Souvenirshop mit.
Wir machen beides. Für daheim nehmen wir uns das neunprozentige imperial stout mit, auf dass wir es an einem Wochenende einmal ganz bewusst zusammen genießen können. Und für das Hier und Jetzt setzen wir uns in den Biergarten, genießen die mittlerweile nicht mehr ganz so hochstehende Sonne, die gute Küche und das Bier.
mit Hopfen aus eigener Produktion entsteht auf diesem Sudwerk eigenes Bier
Unter der Bezeichnung sud eins wird ein India Pale Ale angeboten. 5,9% Alkohol hat es und ein intensives Hopfenaroma. Man merkt dem Bier im positiven Sinne an, dass hier, direkt auf dem Hopfenhof, mit der wertvollen Zutat geradezu verschwenderisch umgegangen werden kann. Schön kupferfarben und mit stabilem, kremigem Schaum steht das Bier vor mir, die fruchtigen und auch deutlich ins Harzige changierenden Hopfenaromen steigen mir in die Nase, während Zunge und Gaumen sich am vollen Malzkörper erfreuen. Nach dem Schluck bleibt noch eine feine Herbe für einen Moment präsent, bevor sie sachte abklingt. Ein sehr schönes und rundes Bier, und auch wenn es noch nicht einmal sechs Prozent Alkohol aufweist, ist es doch sehr charakterstark.
sud eins – das India Pale Ale
Wo es sich gerade so schön in der Sonne sitzt, werde ich etwas übermütig und gönne mir doch noch ein kleines Glas des für diese Uhrzeit und diese Temperatur eigentlich viel zu starken imperial stout. Zu groß ist die Versuchung … Kräftige Aromen vom dunklen Malz, ein dezent röstiger Charakter, feine Kaffee-, Kakao-, Mokka- und auch flüchtige Vanillearomen rieche ich, und auf der Zunge begeistert mit ein kremiges, volles Mundgefühl, eine schöne, nie kratzige Bittere und dann, beim Ausatmen, also retronasal, wieder diese Mokka-Aromen. Ein tolles Bier, das aber – so ehrlich muss ich sein – noch viel, viel besser an einem kalten Herbst- oder Winterabend schmecken würde. Dennoch: Ganz großes Kino!
„Ein rundum schönes Biererlebnis haben wir genossen“, sage ich zu meiner Frau, als wir wieder ins Auto steigen. „Biergarten, Museum, Brauerei, Souvenirshop, Hopfengarten, alles in einem!“ Sie nickt: „Das hatten wir schon länger nicht mehr so schön und in solcher Vielfalt.“
auch drinnen wäre es sehr gemütlich gewesen
Das einzige, was wir heute auslassen müssen (dafür reicht die Zeit dann doch nicht mehr), ist der Hopfenwanderweg. Hier hätten wir gemütlich zwischen den Hopfenfeldern entlangwandern können, bis runter nach Tettnang. Viel hätten wir noch über den Hopfen erfahren, was wir im Museum vielleicht übersehen oder überlesen haben. – Ein Andermal, vielleicht …
Die Gaststätte des Hopfengut N°20 ist dienstags bis sonntags von 10:30 bis 18:00 Uhr geöffnet (freitags bis 20:00 Uhr). Der Laden und das Museum öffnen und schließen jeweils eine Stunde früher. Montags ist zu. Das Auto kann vor dem Hopfengut auf dem großen gebührenfreien Parkplatz abgestellt werden.
Hopfengut N°20
Hopfengut 20
88 069 Tettnang
Baden-Württemberg
Deutschland
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