Braumeistercamp 2022
Obertrum
AUT

„Wow!“ Ich sitze auf der Heimfahrt hinter dem Steuer und sinniere vor mich hin.

„Wow, kann das wirklich sein, dass es so viele Bierverrückte gibt, die sich 72 Stunden nahezu ununterbrochen mit Bier und Brauen beschäftigen können, nur unterbrochen von ein paar Stunden Schlaf?“

Offensichtlich schon, sonst hätten sich zu Axel Kiesbyes Braumeistercamp 2022 nicht rund sechzig Menschen aus aller Welt zusammengefunden, um gemeinsam zu brauen, zu genießen und sich weiterzubilden.

Axel Kiesbye konnte rund sechzig Teilnehmer begrüßen

Das Camp bringt Hobby, Beruf und Expertise über alle, auch die mentalen Grenzen zusammen. Bekannte Brauer, Dozenten, Fachleute und Wissenschaftler treffen auf mittelständische, kleine und Hobby-Brauer, und im Zusammenwirken entsteht etwas ganz Besonderes: Eine Gemeinschaft, ein Netzwerk, ein Informationsaustausch, ein paar neue Freundschaften und schließlich sogar sieben interessante und exklusive Biere.

Ich blicke in den Rückspiegel, sehe die Salzburger Alpen im Dunst verschwinden, und lasse meine Gedanken zurückschweifen.

Mittwoch, 29. Juni 2022

Bildergalerie des ersten Tags

Gegen Mittag treffen die ersten Gäste in Obertrum an Kiesbyes Akademie & Bierkulturhaus ein. Gepäck abgeben, mitgebrachtes Bier in den kühlen Keller stellen, und nun beginnt eine Rundum-sorglos-Betreuung: „Zapft Euch ein Bier, schaut Euch alles an und macht es Euch gemütlich.“

Aber, ach!, schon das Zapfen fordert uns: Am ersten Hahn hängt das vorzügliche Trumer Pils, an den anderen hängen Sude, die in Kursen und Seminaren hier entstanden sind. Exotische Einmal-Sude. Die Auswahl fällt schwer. Vorsichtige Überlegung: Kann man auch alles …?

Na klar kann man, und wem das nicht reicht: Auf der Terrasse stehen zwei prallvolle Kühlschränke mit Flaschenbier. Alles mögliche aus der Welt des Biers.

Also: Hechtsprung ins Bier-Paradies. Mit dem Bier in der Hand die Menschen kennenlernen.

Megan Parisi. Head Brewer am Sam Adams Boston Taproom. Sie ist extra für das Braumeistercamp aus den USA eingeflogen. Ihre erste Interkontinentalreise seit der Pandemie.

Anja Kober-Stegemann. Bier-Sommelière, die ihre Karriere in der Wirtschaft an den Nagel gehängt hat und jetzt vom und für das Bier lebt.

Schorsch Tscheuschner. Brauer und Weltmeister. Er hat in seiner Brauerei Schorschbräu das stärkste Bier der Welt gebraut. Streng nach dem sogenannten „Reinheitsgebot“ und nur mit vom deutschen Biergesetz zugelassenen Verfahren.

Hanspeter Gütlin. Kleinbrauer der Neuenstädter Biermanufaktur, der schon lange vor der Craftbierwelle begonnen hat, im Nebenerwerb spannende Biere zu brauen.

Auf der Terrasse steigt Rauch auf. Dichter, zäher Qualm. Bei schwülem Wetter und im Nieselregen will der Grill nicht so richtig in Fahrt kommen. Wir fläzen uns auf die Sitzgarnituren oder drängen uns unter das Vordach.

Jens Luckart. Leiter der Akademie. Organisator des Braumeistercamps. Stets dort, wo es etwas zu klären gibt. Ansprechpartner für alles und jeden. Hat als Hirtenhund die Herde der Bierliebhaber gut im Griff.

Martin Seidl. Brauer, Urviech, Fels in der Brandung, Arbeitstier und Erfinder der „Schwarzen Tinte“, eines der schwärzesten Biere auf dem deutschsprachigen Markt. Heute am Grill. Beziehungsweise im dichten Rauch.

Peter Cartwright. Nein, nicht der Schauspieler. Auch nicht der Prediger. Die sind schon lang tot. Sondern der Schweizer Biersommelier und Kopf hinter Fidibus.beer – Brauerei und Bierladen in Schmerikon. Mit seiner Frau Karin.

Spannende Gespräche mit dem x-ten Bier in der Hand. Im Kopf wird es schon schwurbelig. Die lange Anfahrt. Die Schwüle. Das viele Bier. Der leere Magen. Endlich ertönt der Ruf: „Die Würschtel sind fertig!“ Paarweise landen sie auf dem Teller, und weil direkt daneben der Bierkühlschrank steht, gibt’s gleich noch ein weiteres Bier.

Highlights des ersten Tags

Zum Glück hat der Regen nachgelassen, und wir klappen die Biergarnituren auf, setzen uns in den Hof. Alles schüttelt sich. Neue Sitznachbarn, neue Gesprächspartner.

Christian Fressner. Guter Geist im Hintergrund. Die Koffer werden schon mal ins Hotel gebracht, der Bierkühlschrank nachgefüllt, Gläser eingesammelt und gespült, mitgebrachte Biere sortiert.

Jakub Martinka. Tschechischer Brauer. Braumeister der Salm Bräu in Wien, der wunderschön am Schloss Belvedere gelegenen Gasthausbrauerei. Hat gerade erst einen feinen Bierbrand kreiert und auf den Markt gebracht.

Marco Lauret. Brauer. „Du hast jetzt aber nichts mit dieser wunderbaren, in einer alten, denkmalgeschützten Festung gelegenen Brauerei Duits & Lauret in den Niederlanden zu tun?“, frage ich etwas zu naiv. Er grinst: „Doch. Die gehört mir. Zumindest zur Hälfte.“

Hm, ich beschließe, mir meine dummen Fragen etwas besser zu überlegen und hole mir sicherheitshalber noch ein Bier und ein Paar Würschtel.

Viel zu schnell verfliegt die Zeit. Schon um halb neun fahren die Busse. Hirtenhund Jens verteilt uns auf die verschiedenen Fahrzeuge. Drei Busse, vier Unterkünfte. „Die Fahrt dauert eine halbe Stunde. Das ist lang“, ruft Jens und schiebt eine Kiste Bier in den Mittelgang. „Gegen das Dehydrieren!“

Kleine und kleinste Sträßchen. Enge Kurven, schmale Wege, Wiesen und Wald. Wir verlieren die Orientierung. Wo der Landgasthof Höfer liegt, in dem wir einchecken, weiß keiner. Ist aber auch egal: Die Bar hat noch offen. Ein Abschlussbier vor der ersten Nacht. Oder zwei …

Donnerstag, 30. Juni 2022

Bildergalerie des zweiten Tags

Wir stehen im Stiegl-Gut Wildshut zwischen den Gebäuden und blinzeln in die gleißende Sonne. Vier Sudwerke stehen auf dem großen Platz. Emsig wird geschrotet, eingemaischt und gerührt. „Ihr könnt jetzt zwei Tage lang machen, was Ihr wollt“, weist uns Axel Kiesbye ein. „Brauvorführungen, Vorträge, Seminare und Verkostungen laufen teilweise parallel. Hinzu kommt der Rundgang durch Brauerei, Mälzerei und Hopfengarten.“

„Ihr könnt aber auch den ganzen Tag faul auf der Wiese unter den Kastanien im Schatten liegen und schlafen“, fährt er fort. „Your choice!“

Ich schaue mir die Kleinbrauereien an, stelle dumme Fragen und stehe den Brauern im Weg rum. Manchmal fasse ich auch ein bisschen an. Meistens schwätze ich aber nur und gefährde die Rastzeiten.

Oliver Wesseloh. Mit seiner Kehrwieder Kreativbrauerei ein Craftbrauer der fast ersten Stunde. Unermüdliches Sprachrohr der Branche. Im Moment gerade wortlos, weil auf’s Maischen konzentriert.

Scott Jennings. Braumeister der Sierra Nevada Brewing Co. Ist mit seiner Frau Elizabeth extra zum Braumeistercamp nach Deutschland gekommen. Rührt mit Oliver im Maischebottich herum.

Martin Krottenthaler. Professor und Doktor an der Hochschule in Weihenstephan. Lehrt dort Brautechnologie. Werkelt mit klebrigen Fingern an Ventilen und irgendwelchen Einstellungen.

René Rehorska. Magister und Doktor. Dozent an der FH Joanneum in Graz. Lehrt sonst bei den angewandten Produktionswissenschaften. Probiert, mit einer Betonmischmaschine zu brauen.

Sebastian Eßl, Brau- und Malzmeister vom Stiegl-Gut Wildshut führt uns durch das ganze Gelände. Zeigt uns Sudhaus, Lagerkeller, Destille, Mälzerei und Hopfengarten. Das kupferne Sudwerk und die organisch geschwungene Holzarchitektur beeindrucken optisch, der Lagerkeller hingegen akustisch und haptisch. Akustisch, weil die Hefe mit 432 Hz, dem Kammerton, beschallt wird, um sie zu besserer Produktion anzuregen. Haptisch, weil das Bier zum Teil in Tanks aus Beton reift. Rau und angenehm kühl fühlen sie sich an. Saures Jungbier gewinnt hier an Mineralität.

Die Zwei-Tonnen-all-in-one-Mälzerei ist heute mit Hirse bestückt. Glutenfreies Bier soll daraus entstehen. Jeder darf mal ein paar Hirsekörner probieren.

Kauend gehen wir an der Verkostungsbar vorbei zum Hopfengarten. Alles Kreislauf, alles Bio. Nicht nur organisch geschwungene Holzarchitektur allerorten, sondern auch organischer Anbau aller Rohstoffe. Der Hopfen mit Kompost gedüngt, die Getreidefelder auf der anderen Straßenseite mit siebenjährigem Fruchtwechsel mit verschiedenen Getreidesorten ohne Spritzung und Dünger. Man denkt in langen Zeiträumen. Nachhaltigkeit wird großgeschrieben. Also eigentlich NACHHALTIGKEIT.

Jetzt ist aber ein erstes Bier aus den reichhaltig bestückten Kühlschränken in der großen Halle des Moarhauses nötig. Andere sind schon beim zweiten oder dritten. Aber auch mindestens ein halber Liter Wasser dazu. Die Sonne brennt unbarmherzig. Und ein zweites Bier geht gleich hinterher. Wenn nämlich der Brauer, der es hergestellt hat, dabei ist und es vorstellt.

Markus Schmitt. Von der Schmitt Haustechnik GmbH. Hat gerade angefangen, sein Hobby zum zweiten Beruf zu machen. Ab 31. Juli wird sein Bier der Marke Cannstatter Keller verkauft. Wir trinken es heute schon.

Martin Flörchinger. Seine Biermarke heißt Holystoner Brauwerkstatt. Das Bier heißt Larifari, ist aber keins. Sondern ein Pale Ale.

Während wir trinken und genießen, geht es nebenan im Seminarraum schon mit den ersten Vorträgen los. Oliver Wesseloh trägt vor zur Entwicklung des ersten alkoholfreien Kreativbiers in Deutschland. Eben noch am Maischebottich, jetzt im Seminarraum. „Bisher war der Geschmack eher Strafe als Belohnung“, lästert er über die alten Alkoholfrei-Marken. Hat damit aber auch recht.

Highlights des zweiten Tags

Schnell noch mal nach den Sudkesseln schauen, und dann gibt’s Mittagessen. Stilvoll serviert direkt neben den kupfernen Sudkesseln. Den großen im Restaurant, nicht den kleinen auf dem Vorplatz, natürlich. Ein Vorspeisensalat und ein Nudelgericht. Alles Produkte aus der Region. Alles nachhaltig. Alles lecker!

Dazu ein Glas Wildshuter Gmahte Wiesn. Ein Bier mit Kräutern. Zum Beispiel Schafgarbe und Koriander. Perfektes Pairing zum Salat.

Verdauungsmüdigkeit setzt ein. Oder ist es das Bier?

Mittagsschlaf ist aber nicht vorgesehen. Megan Parisi hat schon begonnen, vorzutragen, und zwar zur Nutzung biologischer Milchsäure zur pH-Regulierung der Maische. Darf man in Deutschland nicht. Da muss man Sauermalz zur Säureregulierung nehmen. Geht auch, ist aber umständlicher und nicht so berechenbar. Rasch wendet sich die Diskussion in Richtung des sogenannten „Reinheitsgebots“.

Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Neue Kontakte, neue Aktivitäten.

Nina Witzemann. Im Netz unter Nina Bierista. Amtierende baden-württembergische Bierprinzessin. Fünf Biere, drei Eissorten. Eine davon selbstgemacht; die Eismaschine surrt noch. Perfektes Beer-and-Food-Pairing. Erfrischend, und somit ideal bei dieser Hitze. Oder doch nicht? Eines der Biere hat 10,0% Alkohol. Huih!

Ben Buchsteiner. Werbeagent. Ninas Partner. Rührt sonst die Werbetrommel. Heute stattdessen das Eis.

Ulrich Ferstl. Arbeitet bei Weyermann. Trägt heute über Rauchmalze und ihre sensorischen Profile vor. Wäre theoretisch schwierig, mit einer Bierprinzessin muss man schließlich konkurrieren können. Kann Ulli aber. Buchenholz, Eichenholz, Kirschbaum, Walnuss, Torf: Malz kann man mit vielem räuchern. Weyermann macht’s nur mit Eiche und Buche, aber die Welt der Rauchbiere ist offen für Experimente.

Verschiedene Hölzer beschreibt dann auch Schorsch Tscheuschner. Fassreifung in französischer Eiche oder in nordamerikanischer Weißeiche? Oder doch lieber in Kastanie? Er hat Hölzer zum Schnuppern mitgebracht. Jedes Holz riecht anders. Nochmal anders riecht es, wenn es getoastet oder gar gecharred ist. Der Kopf schwirrt vor so viel Eindrücken.

Besser noch mal ein Bier zwischendurch.

Oder gleich ganz viele? Megan Parisi hat einen Koffer voll Bierdosen mitgebracht. Und alle sind heilgeblieben. Wir verkosten uns durch das Sortiment der Sam Adams Boston Beer Company. Ein Pils, ein Helles, ein Dunkles, ein Blueberry Gose, ein Greates Ale of All Times, ein East-West Coast IPA, ein Key Lime IPA, ein Coconut Curry Porter. Es geht Schlag auf Schlag. Teils sind die Dosen gar nicht etikettiert. Wie soll man da die Übersicht bewahren?

Ach, die Übersicht ist ein Kinderspiel. Jedenfalls im Vergleich zu dem, was jetzt kommt. Nach all den Sam-Adams-Bieren stellt Schorsch Tscheuschner jetzt seine fassgereiften Spezialitäten vor. Dunkler Eisbock, 13%. Fast noch ein Leichtbier. World’s Strongest Lager im Eichenfass gereift, 16%. Cuvée Barrique, 18,2%. Wer nach Megans Bieren noch keinen Rausch hat, hat ihn jetzt.

Highlights des zweiten Tags

Zum Glück gibt es Abendessen. Deftiges Abendessen. Viel Fleisch. Gutes Fleisch. Hervorragend gewürztes Fleisch. Perfekt zubereitetes Fleisch. Sind eigentlich Vegetarier unter uns?

Ulrich Zech. Ist kein Vegetarier. Braut in der Nähe von Innsbruck. Die Bierfabrik. Ist aber noch in der Entstehungsphase.

Michal Perner. Auch kein Vegetarier. Ist Tscheche, arbeitet jetzt aber in Innsbruck. Auch in der Bierfabrik. Hier am Tisch verantwortlich für die gute Laune. Sein breites Grinsen ist ansteckend.

Martin Tietz. Deutscher Meister der Hobbybrauer 2020. Ebenfalls Carnivore. Das ist lateinisch und heißt Fleischfresser. Passt also alles am Tisch.

Viel Fleisch erfordert viel Bier. Es gibt Wildshuter Sommerliebe und Wildshuter Männerschokolade. Die helle Sommerliebe passt zum Salat, das dunkle Stout Männerschokolade zum Fleisch. Prima. „Schmeckt wie mein eigenes Stout“, behauptet Martin. Er zaubert eine Flasche hervor und schenkt zum Vergleich ein. Tiedenbräu Chocolate Stout. Stimmt. Wir machen mit den Gläsern das Hütchenspiel. Am Ende weiß keiner mehr so recht, ob Männerschokolade oder Tiedenbräu. Hauptsache viel Fleisch dazu. Viel Bier braucht viel Grundlage.

Es geht aber auch hell, beweist Oliver Wesseloh. Er hat neulich zusammen mit der Brauerei Bierol das „The Knot No. 1“ gebraut, ein Tropical Ale. So wie Birne und Preiselbeeren zum Hirschrücken passen würden, passt das Tropical Ale zu den deftigen Rippchen.

Was gar nicht passt, ist noch mehr Fleisch in unsere Bäuche. Der unendlich aufmerksame und freundliche Kellner muss mit seinem dritten Nachschlag unverrichteter Dinge beidrehen. Nix geht mehr.

Insofern ist der nächste und letzte Programmpunkt für heute mit Bedacht gewählt. Wir fläzen uns ans Lagerfeuer. Entspannen, verdauen, ein bisschen dösen, sich berieseln lassen. Wie schön. Nur nicht für mich, denn ich muss aktiv berieseln und lese aus den Büchern Bier vor Ort und Unser täglich Bier gib uns heute ein paar Stories. Nähme ich jetzt nette und besinnliche Geschichten, schliefen alle weg. Also gibt’s was Dynamisches. Wer dösen will, muss also doch woanders hin. Rasche Dialoge, lautstarkes Poltern, deftiger Wortschatz. Alle sind wieder wach und aufmerksam. Geht doch!

Aber auch nur so lange, bis die Busse fahren. Dann zeigt sich: Der Akku ist leer. Die Fahrt ist kurz. Noch kürzer die Zeit, bis alle im Bus weggenickt sind.

Freitag, 1. Juli 2022

Bildergalerie des dritten Tags

Es hat geregnet heut Nacht. Also wird wettergeschützt in den Toren des Moarhauses gebraut. Falls es noch einen meteorologischen Nachguss geben sollte. Keinen Nachguss gibt’s bei Martin Seidl und Schorsch Tscheuschner. Schorsch kennt dieses Wort überhaupt nicht. Stattdessen behauptet er: „Aus meinem Glattwasser brauen andere noch ein Bockbier!“

Die beiden elfengleichen Gestalten, Martin und Schorsch also, brauen eine stärkere Version von Martins berühmter „Schwarzer Tinte“. Die kleine Rösttrommel läuft. Schwarz gebranntes Gerstenmalz wird in größerer Menge benötigt. Rundherum interessante Gespräche mit noch interessanteren Menschen.

Maik Grün. Brauer der Hachenburger Westerwald-Brauerei. Weiß viel über die Hachenburger Erlebnisbrauerei zu berichten. Alles hinter transparenten Glaswänden. Man könne eine Brauereibesichtigung auch mit dem Auto machen.

Martin Huber. Miteigentümer der Vorarlberger Mohrenbrauerei. Die heißt so, weil der Gründer Mohr hieß. Führt aber trotzdem einen „Mohrenkopf“ im Wappen und sieht sich daher einer Rassismusdiskussion ausgesetzt, der es oft an Sachlichkeit fehlt.

Mark Kovacs. 1. Braumeister an der Vulkanbrauerei in Mendig. Dort im Vulkangestein ist der tiefste Braukeller der Welt. Viele hundert Stufen gibt es, aber keinen Aufzug. Das erzieht zu Sorgfalt. Stellt man unten nämlich fest, dass man irgendein Werkzeug oben vergessen hat, bekommt der Brauer dicke Oberschenkel.

Etwas weiter braut Marco Lauret ein Bière de Garde; vorne steht Oliver Wesseloh und maischt für ein New Style Hazy IPA ein.

Im Seminarraum wird es derweil wissenschaftlich. René Rehorska hat den wohl kompliziertesten Titel für seinen Vortrag: „Fermentationscharakteristika der Hefen und des Gesamtmikrobioms eines Styrian Gueuze Style Ales“ Klingt aber komplizierter als es ist. Die Frage lautet: Welche Hefe, welches Bakterium trägt was zum Aromaprofil des spontanvergorenen Mosa Gueuze Style Ale bei? Verkostung im Anschluss inklusive.

Highlights des dritten Tags

Martin Krottenthalers Vortrag klingt einfacher: „Einfluss von Wasserionen auf den Biergeschmack“ Dafür ist die Realität komplizierter. Karbonathärte, Nichtkarbonathärte. Kalium, Kalzium, Chlorid, Sulfat und Karbonat. Mit Leichtigkeit und Humor wird alles erklärt. Wer’s nicht verstanden hat, darf probieren. Zehn Tropfen Brauergips ins Pils oder ins Dunkle. Oder lieber fünf Tropfen Kochsalzlösung? Am Ende verstehen alle, warum es in Pilsen Pils, in Dortmund Export und in München Dunkelbier gab.

Heutzutage ist es egal geworden, denn das Brauwasser darf chemisch aufbereitet werden. Wie sich das mit dem sogenannten „Reinheitsgebot“ verträgt? Wir sind überzeugt: Das wird uns der Brauerbund nie logisch erklären können.

Draußen rinnen die ersten Tropfen der Schwarzen Tinte aus dem Läuterbottich. Jodprobe in der Espressotasse. „Das ist das einzige Bier, das bei der Jodprobe heller wird und nicht dunkler.“ Martin Seidl und Schorsch Tscheuschner feixen.

Martin Krottenthaler ist auch schon längst wieder am Braukessel. Dem Professor behagt das Brauen noch mehr als das Dozieren. Marco Lauret freut sich über tatkräftige Hilfe.

Das Mittagessen schmeckt vorzüglich. Trotzdem drängt es alle sofort wieder zurück zu den Sudkesseln. Oder in den Seminarraum. Keine Zeit für den Genuss. Die Wissbegierde ist zu groß. Wieder locken spannende Gespräche und Vorträge.

Andreas Bauer. Eisenbahner. Vielreisender. Diplom-Biersommelier. Ruhender Pol in jeder Diskussion. Und weiß ungeheuer viel.

Christina Schönberger. Arbeitet bei BarthHaas. Es gibt nichts zum Thema Hopfen, was sie nicht weiß. Ihr Seminar zeigt uns umgekehrt, was wir alles noch nicht wissen. Am Ende des Vortrags sind unsere Wissenslücken deutlich kleiner. Und Spaß hat’s auch gemacht.

Stefan Lupprich. Arbeitet bei Fermentis. Sein Ziel: Mythen und Vorurteile zum Thema Trockenhefe auszuräumen. Er wird per Zoom zugeschaltet, ist hochansteckend und nicht reisefähig. Trotz Hustenanfällen: Ziel erreicht. Viele Mythen ausgeräumt. Egal, ob es um Pitching-Rates, Temperaturprofile oder Rehydrierung geht. Nur einer widerspricht im Detail: Martin Krottenthaler. Der darf das aber.

Drüben in der Halle des Moarhauses hat Scott Jennings mit der Verkostung seiner Sierra Nevada Biere begonnen. Die Brauerei ist berühmt für hopfige Biere. Für sehr hopfige. Und für noch hopfigere. Deswegen beginnt er die Verkostung mit … Frucht- und Sauerbieren. Überraschte Gesichter bei uns, breites Grinsen bei ihm. Anschließend aber schnell wieder Vertrautes. Ab der dritten verkosteten Dose steigen die IBU-Werte rasch wieder an. Vorzügliche Biere, und eine hohe Schlagzahl. So schnell kann man gar nicht trinken, wie die Dosen an den Tisch kommen.

Zeit zum Hinterhersinnieren bleibt nicht. Oder man verpasst etwas. Im Seminarraum zeigt Marco Lauret einen Film über seine Festungsbrauerei. Denkmalschutz und moderne Brautechnik. Hygieneanforderungen und scheißende Fledermäuse. Die Herausforderungen sind gewaltig. Die Aromen der dort reifenden Biere aber auch. Wir verkosten sein „bière de garde brune“. Ein Jahr alt ist die Flasche, das Bier ist vorzüglich. Die nächste Flasche kommt. Bis auf den fehlenden Barcode auf dem Etikett ist sie identisch. Der Geschmack? Himmlisch. Göttlich. Astral. Sieben Jahre Reifung in den kühlen Kellern der Festung bewirken Wunder. Fünf Sterne. Wir können nicht genug bekommen.

Highlights des dritten Tags

Doch draußen ertönt die Fanfare und ruft zum nächsten Programmpunkt. Unerbittlich.

Axel Kiesbye. Brauche ich jetzt, am dritten Tag des Camps, eigentlich auch nicht mehr vorstellen. Er ist jetzt gerade aber wichtig. Es herrscht Zeitmangel, deswegen entfällt nachher die Pause zum Umziehen. Galadinner in Jeans und T-Shirt. Jemand was dagegen? Einmütiges Kopfschütteln. Nö!

Markus Trinker. Koryphäe. Brauer bei Stiegl. Denen gehört das Gut, das deswegen ja auch Stiegl-Gut Wildshut heißt. Und Markus darf hier zusammen mit Sebastian Eßl Dinge verwirklichen, von denen andere träumen. Er nimmt uns mit auf die andere Straßenseite. „Ihr seid die Ersten, die da reindürfen“, verspricht er.

Es regnet in Strömen. Gut durchfeuchtet erreichen wir den hinter Büschen verborgenen Eingang zu einem alten Gewölbekeller. Die Neugier nagt. Aber bevor die Holztüren sich öffnen, verkosten wir unter dem Vordach den Sonnenkönig VIII. Ein New Style Saison Barrel Aged. Ausgebaut im Tokaier Fass. Noch einmal vergebe ich gedanklich fünf Sterne. Das letzte fünf Sterne Bier ist gerade eine Viertelstunde her. Noteninflation? Nein. Qualitätsoffensive!

Dieses Bier hat ein besonders schönes Foto verdient. Ich stelle mich in den Regen, werde nass, aber das Bild wird schön. Das Los des Chronisten.

Jetzt öffnet sich die Holztür. In großen und edlen Holzfässern lagert hier ein Flanders Red Ale und säuert kontrolliert vor sich hin. Markus gibt uns freie Hand: „Hier ist der Zwickel. Dreht auf und nehmt Euch!“ So viel Vertrauen genießt auch nicht jede Besuchergruppe.

Ein Sauerbier. Kein säuerliches Bier. Sondern ein SAUERbier. Essigsauer. Das ist Absicht. Nicht jeder mag es goutieren. Aber alle sind sich einig: Was für eine exklusive Gelegenheit, dies als erste Besuchergruppe überhaupt verkosten zu dürfen. Eine hochinteressante Genusserfahrung. Nach dem zweiten Schluck erst erschließt sich die ganze Komplexität.

Viele Monate wird es noch reifen, und viele weitere Fässer werden hier noch gefüllt werden. Man müsste regelmäßig so einmal im Jahr hier vorbeikommen und sich ein Update erschmecken, oder?

Zurück durch den Regen zum Gala-Dinner.

Während im Restaurant noch alles vorbereitet wird, ist Signierstunde. Mein Buch „Bier vor Ort“ ist beliebt. Mich freut es sehr, ist doch der Erlös als Trinkgeld für das hervorragende Personal hier im Restaurant gedacht.

Jetzt wird aber aufgefahren. Fünf Gänge. Jeder für sich vorzüglich; in der Kombination mit einem jeweils dazu passenden Bier ein Gedicht. Wir schwelgen, genießen, sinnieren, verkosten. Dass wir in leicht feuchten Klamotten hier sitzen? Geschenkt! Davon wird das Essen nicht schlechter. Im Gegenteil: Wir haben mehr Zeit für den Genuss!

Leider hat irgendwann alles ein Ende. Axel Kiesbye erhebt sich. Schluss für heute? Nein, es folgen eine Würdigung des Restaurantteams, ein signiertes Buch als Dank an Markus Trinker und eine Ehrung für Jens Luckart. Zehn Jahre arbeitet er nun schon an Kiesbyes Akademie & Bierkulturhaus.

Jetzt wäre ein Verdauungsschnaps recht. Wie gut, dass es unter dem Gästehaus noch einen Keller gibt. Markus steigt mit uns die Treppen hinab. Schon wieder zahlreiche Holzfässer. Markus lächelt und nimmt einen Heber in die Hand: „Whisky. Unser eigener Whisky. In Fassstärke, also mit 56%. Jeder leider nur einen winzigen Schluck!“ Der Whisky ist noch bei weitem nicht lang genug gereift. Aber eine Ahnung, wie er schmecken wird, haben wir jetzt. Zufrieden trotten wir die Treppe wieder hoch.

Im Moarhaus gibt’s jetzt Livemusik. Jens Luckart und Monika Atzl-Klingler singen und spielen auf. Bierliebhaber sind manchmal auch musikalisch begabt. Das Duo wächst spontan zum Trio, und bald spielen bis zu sechs Personen zusammen. Dazu ein Wildshuter Urbier, nach historischem Rezept gebraut. Ein stimmiger und harmonischer Abschluss dieses Tages.

Sonnabend, 2. Juli 2022

Bildergalerie des vierten Tags

Wie, schon der letzte Tag? Nur noch zwei Programmpunkte, und dann Schluss?

Ungläubig stehen wir vor Kiesbyes Akademie & Bierkulturhaus, lernen aber noch jemanden kennen:

Johanna Panholzer. Brauereiführerin mit heißem Herzen. Bierbegeistert bis in die kleinste Pore. Mühelos betört sie uns alle mit Charme und Wissen. Brav laufen wir hinter ihr her, auf die andere Straßenseite.

Kreuz und quer durch die Trumer Privatbrauerei geht es. Altes Sudhaus, neues Sudhaus, Lagerkeller, Souvenirshop. Spannende Geschichten. Johannas Bierbegeisterung steckt an. Als ob es das für uns noch bedürfe. Aber es stimmt. Sie brennt fast noch mehr für Bier als wir!

Der letzte Programmpunkt bietet zwei Überraschungen. Eine angekündigte: Eine Weltneuheit dürfen wir verkosten. Axel Kiesbyes neuestes Produkt. Kein Alkohol. Noch nicht einmal ein Bier. Stattdessen: eine Getreidemilch. Ohne Emulgatoren, ohne künstliche Zusatzstoffe. Nur Getreide, Öl und Salz. Die Prozessschritte zum Stabilisieren sind geheim. Der Geschmack nicht. Ich habe keinen Vergleich, habe noch nie eine Hafermilch oder so etwas getrunken. Aber mir gefällt’s. Schmackhaft und harmonisch.

Und die unangekündigte Überraschung?

Marion Weinberger. Biersommelière. Ehemalige Mitarbeiterin bei Axel Kiesbye. Jetzt wegen besserer Aufstiegschancen in der Marketingabteilung der Stiegl-Brauerei.

Sie hatte mich vor anderthalb Jahren überhaupt erst auf das Braumeistercamp aufmerksam gemacht. Schade, dass ich sie nicht treffen werde, denke ich noch, als sie mir plötzlich um den Hals fällt. Zum letzten Tag des Camps ist sie gekommen. Wie schön!

Meinen ausdrücklichen Dank an Dich, liebe Marion. Ohne Dich wäre ich nicht hier.

Highlights des vierten Tags

Die Turmuhr der Kirche nebenan schlägt. Halb zwei schon. Höchste Zeit. Ein schnelles alkoholfreies Bier gegen den Durst, und Minuten später sitze ich im Auto.

„Wow!“, sinniere ich vor mich hin.

„Wow, kann das wirklich sein, dass es so viele Bierverrückte gibt …“

Braumeistercamp 2022 – die Biere

Berichte zum Braumeistercamp 2022 finden sich auch in der Zeitschrift Brauwelt und auf dem Bierblog von Nina Witzemann alias Nina Bierista:

Zwischen Bierbrauen und Brauwissen

Kiesbye Braumeistercamp 2022

Post Scriptum

Ein kleines Post Scriptum gehört zu diesem Bericht noch dazu, denn ich habe mir noch ein paar Bier-„Trophäen“ mit heimgenommen. Zum einen Biere aus Schorsch Tscheuschners Verkostung, an der ich aus guten Gründen nicht aktiv teilgenommen habe, und zum anderen gab es für die Teilnehmer am Braumeistercamp 2022 auch ein Goodie-Bag, also eine Überraschungstüte, in der unter anderem auch exklusive Biere zu finden waren.

Bildergalerie

Insofern gibt es noch ein paar ausführliche

Verkostungsnotizen

Der Belgier – Explorateur – Axels Sommersaison; Kiesbye Naturbrauerei – Waldbier – Tiroler Bergwald – Zirbe / Schwarzbeere; Schorschbräu – Schorschbock ICE 13 – Dunkler Eisbock

Der Belgier – Explorateur – Axels Sommersaison (5,5%)

Ein Bier von Raf, dem Belgier, das er zusammen mit Axel Kiesby entwickelt und gebraut hat. Zwei absolute Experten. Das ist unendlich vielversprechend. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.

Das Bier ist leuchtend gelb, sehr trüb und trägt einen kremigen, feinporigen und lange haltbaren Schaum. Und schneeweiß ist er auch noch. Ähnlich lang ist die Liste von Attributen beim Duft: Da sind phenolische Noten von der Saison-Hefe, die immer so ein bisschen rau und ungestüm, gleichzeitig aber doch liebenswert wirken. Aber auch feine ätherische Kräuter, mit feinen zitrusartigen Noten. Der Blick auf die Zutatenliste offenbart, was da so alles drin ist: Koriandersamen, Anis und Kamille. Ein herrlicher Duft wie ein Kräuterkissen aus Alpenkräutern.

Der Antrunk ist spritzig und ein bisschen pfeffrig-scharf, aber auf der Zunge gibt sich das Bier dann wieder ganz zahm. Eine feine Malznote, eine leichte und zurückhaltende Bittere, und darüber tänzeln im warmen Sommerwind die Aromen der Alpenkräuter. Ich liege gedanklich mitten im Panorama meines Fotos und genieße das Heu, die Sonne, die warme Luft und die Aromen. Wie schön. Der Abgang bringt die Kamille leider ein wenig zu sehr in den Vordergrund, so dass das Bier beginnt, „gesund“ zu schmecken und mich an feuchtkalte Wintertage, Rotznase und Kamillentee erinnert. Aber das ist wohl bloß so eine subjektive Assoziation, denn eigentlich ist das ein richtig, richtig gutes Bier!

Kiesbye Naturbrauerei – Waldbier – Tiroler Bergwald – Zirbe / Schwarzbeere (5,9%)

Jedes Jahr bringt Axel Kiesbye ein neues Waldbier heraus, in dem er Zutaten, die in den österreichischen Wäldern wachsen, mit verbraut. Dieses Mal waren es Zirbenzapfen und Schwarzbeeren.

Das Bier ist dunkelgelb mit einem deutlich rosafarbenen Stich. Es ist gleichmäßig trüb und entwickelt nur wenig Schaum, der auch recht schnell zusammenfällt. Der Duft ist herb-säuerlich mit holzigen Noten, die ein wenig an Birkensaft erinnern. Fruchtaromen sind nur ganz im Hintergrund zu identifizieren – sie sind eher dunkel und herb. Der Antrunk ist herb, auf der Zunge wirkt das Bier trocken und ein wenig harzig. Der adstringierende Effekt ist nicht sehr stark, aber spürbar. Eine leichte und herbe Fruchtigkeit gaukelt für einen kurzen Moment eine Süße vor, die gar nicht vorhanden ist – so lassen sich die Sinne täuschen. Retronasal ist es genau dieses herbe Fruchtigkeit, die auffällt und das Bier sehr schön abrundet. Der Schluck präsentiert noch einmal den harzigen Charakter – im Abgang kommen leichte Terpen-Aromen hervor.

Ein hochinteressantes Bier, komplex und für den bewussten Genuss. Es kann aber auch rasch weggetrunken werden – ist also sehr durchtrinkbar. Allerdings ist es wirklich zu schade für Letzteres.

Schorschbräu – Schorschbock ICE 13 – Dunkler Eisbock (13,0%)

„Der ICE 13 nach Gunzenhausen fährt heute mit umgekehrter Wagenreihung“, höre ich eine Stimme blechern erklingen, als ich das Etikett lese. Wobei ICE natürlich in Schorschens Fall nicht für Intercity Express steht, sondern für Ice – Eis. Ein dunkler Eisbock. „Hocharomatisch durch Eisreifung“, informiert mich das Etikett.

Die Farbe? Ein tiefes Dunkelbraun. Mit dezenter Trübung. Ohne Schaum. Der Duft? Malzig. Mit Honigaromen. Und zwar herber, harziger Waldhonig. Marzipan. Trockenpflaumen. Datteln. Der Antrunk? Bei weitem nicht so viskos wie erwartet. Eher überraschend frisch. Das Mundgefühl? Satt und rund, aber nicht klebrig mastig. Restsüße ja, aber nicht zu viel. Stattdessen eine etwas adstringierende Bittere. Ein leicht pelziges Gefühl auf der Zunge. Retronasale Aromen? Ja, ein paar. Gehen in die gleiche Richtung wie der Duft. Baumharze, Honig, Marzipan, Persipan. Wer kennt Letzteres? Ist ein bisschen aus der Mode gekommen. Der Abgang? Nach dem Schluck wird’s kremig-pelzig am Gaumen und im Rachen. Eine leichte alkoholische Wärme kommt auch hinzu. Schön rund das Ganze. Der Gesamteindruck? In Schorschens Portfolio eher das Leichtbier. Trotzdem gut. Etwas für den bewussten, langsamen Genuss. Nicht durchtrinkbar.

Schorschbräu – Cuvée Barrique 18,2 – Edition 2019 [3 Jahre alt]; ThE-Brewery – Gran Reserva – 7 months barrel aged; Schorschbräu – Worlds Strongest Lager – 16% – im Eichenfass gereift

Schorschbräu – Cuvée Barrique 18,2 – Edition 2019 [3 Jahre alt] (18,2%)

Ein Bier mit Bedienungsanleitung: „Man nähert sich der respektablen Stärke durch intensives Riechen am bauchigen Glas“. So beempfiehlt es der Brauer Schorsch Tscheuschner.

Zähflüssig und viskos fließt das Bier ins Glas. Es ist fast schwarz und zeigt im Licht einen wunderschönen rubinroten Schimmer. Beim Einschenken sieht man auch, dass es ein bisschen trüb ist; wenn man vorsichtig ist, bleibt diese Trübe aber problemlos in der Flasche zurück. Schaum entwickelt sich nicht. Der Duft erinnert an einen ultraschweren Rotwein, an in Rum eingelegte Früchte, an Trockenpflaumen, an Vanille, an Eichenholz, an überreife Kirschen, an frisch fermentierte Kakaobohnen, an … Ach, es sind so viele, geradezu unzählige Assoziationen, die vor meinem geistigen Auge auftauchen.

Der Antrunk ist süßlich-viskos. Klebrig. Auf der Zunge setzt sich der zuckrig-klebrige Eindruck fort. Aber er wird begleitet zum einen von einer konzentrierten, hopfigen Herbe, und zum anderen von einem retronasalen Aromenkonzert, dass es mir ganz wuselig wird im Kopf. Ich lasse jeden Tropfen einzeln über die Zunge laufen, und jedes Mal kommt ein ganzer Schwall von Aromen hervor. Früchte, Alkohol, Wein, Holz, Vanille und Spezereien. Jeden einzelnen Tropfen kann ich ob seiner alkoholischen Wärme auch den Rachen hinunter und durch die Speiseröhre rinnen spüren.

Was für ein wunderbares Erlebnis. Das hat zwar sensorisch mit Bier nicht viel zu tun, sondern erinnert eher an eine komplexe Likörkomposition, aber erstens braut Schorsch in Bayern, und das garantiert (leider?) für die Einhaltung einer merkwürdigen, völlig veralteten Lebensmittelvorschrift, nämlich das sogenannte „Reinheitsgebot“, und zweitens zeigt es dadurch nur, wie unendlich breit der Aromenkanon von Bier sein kann. Halleluja!

ThE-Brewery – Gran Reserva – 7 months barrel aged (7,2%)

Unter der Bezeichnung ThE Brewery braut Thomas Ernstberger zuhause Bier, und beim Braumeistercamp 2022 habe ich aus Versehen eine Flasche eingesteckt. Schorsch Tscheuschner sagte mir, dass drüben im Seminarraum noch Restflaschen von ihm stünden, ich solle mir von jeder eine einstecken. Habe ich gemacht, und daheim erst gemerkt, dass auch eine Flasche von Thomas dabei war. Er wird’s mir hoffentlich verzeihen. Und wenn nicht, ist es jetzt eh zu spät, sie ist getrunken. Beziehungsweise ganz langsam genossen.

Kräftig braun und fast klar fließt das Bier ins Glas; es entwickelt nur eine Andeutung von altweißem Schaum. Der Duft ist intensiv holzig mit dahinter zurücktretenden malzigen und vanilligen Aromen. Alles zusammen wirkt wunderbar harmonisch und gefällt außerordentlich.

Der Antrunk ist sehr weich, eine Spundung nur ganz dezent zu spüren. Auf der Zunge bleibt das Bier zunächst ganz weich. Es wirkt süßlich, rund, samtig, dampft feine Holz- und Vanillearomen aus und zeigt einen schönen, warmen und weichen Malzcharakter. Dann entwickelt sich ein leichtes, wirklich nur leichtes adstringierendes Gefühl, und die Holzigkeit des Biers tritt ein bisschen deutlicher hervor. Zusammen mit den retronasalen Aromen wirkt das, als würde ich im leeren Fass schnuppern und an der Holzbohle lecken. Aber im positiven Sinne! Nach dem Schluck wandelt sich der Charakter und geht ein wenig ins Sahnige, Kremige über. Die Schleimhäute werden durch die Tannine leicht trocken, gleichzeitig legt das Malz aus dem Bier aber eine sahnige Schicht darüber. Klingt nach scharfem Kontrast, ist aber in Wirklichkeit eine hervorragende Harmonie.

Ein Bier für winzige Schlucke und langsamen, bewussten Genuss.

Schorschbräu – Worlds Strongest Lager – 16% – im Eichenfass gereift (16,0%)

„Strictly Limited Edition / Streng limitierte Auflage”, steht auf dem Etikett, und während ich noch lese, trinkt meine holde Ehefrau ihr Glas einfach an. „Hm, das ist aber fein. Der kann brauen!“, höre ich und fühle mich unter Druck gesetzt. Wenn ich jetzt nicht schnell trinke, verlangt sie die Hälfte meines Glases auch noch. Sie wird dann ausgetrunken haben (Futur II!) und behaupten, wir müssten uns doch das, was noch da ist, fair teilen.

Schnell betrachte ich das Glas in meiner Hand. Tief dunkelbraun und kräftig trüb steht das Bier im Glas, und beim Einschenken hat es sogar ein ganz klein bisschen Schaum entwickelt. Eine hauchfeine Schicht nur, und sie ist natürlich blitzschnell zusammengefallen, ist ja klar. Aber immerhin … que! Ich schnuppere. Der Duft ist eine wunderbar harmonische Mischung aus bayerischem Blockmalz (ja, das mit der dezenten Kräuternote, denn genau die glaube ich, hier wieder zu erkennen!) und vanilligem Eichenholz. Ein kleines bisschen schwerer Portwein mischt sich in den Hintergrund, finde ich, aber immer, wenn ich genau hinriechen will, entgleitet mir diese Duftnote wieder. Irgendwas wunderbar Komplexes lauert da!

Der Antrunk ist malzig und klebrig-süß, aber bei weitem nicht so viskos, wie ich es in den letzten Wochen bei manchen Imperial Stouts oder Pastry Stouts erlebt habe. Nein, diese Süße ist zwar intensiv, aber auch quicklebendig und agil, gar nicht pappig-klebrig! Während das süße Malz sanft über die Zunge gleitet, spüre ich ganz, ganz leicht eine feine, herbe, nur ganz schwach adstringierende Holznote. Gerade so stark, dass sie Süße nicht übermütig wird. Aber auch die Holznote wird in Schach gehalten – von Vanillearomen und einem spürbaren, aber nicht mal annäherungsweise spritigen Alkoholakzent. Ja, das Bier hat sechzehn Prozent Alkohol, aber wie bei einem weichen Likör merke ich das nur ganz schwach.

Seidig und weich gleitet das Bier den Rachen hinunter und beginnt, sachte zu wärmen. Nicht so schnapsig-scharf wie bei einem Obstler, sondern ganz sachte. Wie der Unterschied zwischen Fußbodenheizung und offenem Feuer! Und apropos Fußbodenheizung: Jeden Tag ein solches Schorschbräu, und wir können die Heizung auch im tiefsten Winter runterregeln. Soll Putin sein Scheiß Erdgas doch behalten. Wir wärmen sanft von innen!

Und Yours truly, Schorsch selbst, liefert noch eine ergänzende Information: „Der hatte aber auch zwei Jahre und drei Monate im 500-l-Spessarteichenfass, Medium plus toasted, keine Vorbelegung.“

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2 Kommentare

    • Aber so was von!

      Letztendlich auch wegen Deines hervorragenden Engagements. Wirklich super!

      Danke für alles, was Ihr im Team geleistet habt!

      VQ

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