Nicht alles schmeckt gut, das gut aussieht …
Dass das letzte Verkostungspaket aus Hannover gekommen ist, ist noch keinen Monat her. Ich habe noch gar nicht alle Biere probiert …
Aber unter denjenigen, die ich verkostet habe, war das eine oder andere vielleicht nicht ganz so gelungene. Stur, wie ich bin, habe ich die jeweils dazugehörigen Verkostungsnotizen trotzdem veröffentlicht – getreu dem Motto: „Was ist ein Lob wert, wenn es nicht auch auf der anderen Waagschale Kritik gibt?“
Offensichtlich hat das meinen lieben Freund, den Herrn R. aus Hannover, ein wenig bedrückt, war er es doch, der die Biere zusammengestellt hatte. Ach, lieber Herr R., das ist doch gar nicht schlimm – ich weiß doch selbst, wie schwierig es ist, angesichts des Etiketts oder des Namens eines Biers auf dessen Qualität zu tippen. Viel wichtiger ist doch die Geste, ein paar völlig unbekannte Biere zusammenzustellen und als Kostprobe zu verschicken!
dreizehn verschiedene Biere
Aber wie dem auch sei, offensichtlich war es doch ein kleines bisschen schlechtes Gewissen, das hängen geblieben ist, und so steht schon wieder ein neues Bierpaket vor meiner Tür. Dreizehn neue Biere, die der Verkostung harren. Dreizehn Biere, die ich noch nicht kenne. Dreizehn Flaschen oder Dosen. Dreizehn Mal ausführliche Verkostungsnotizen.
Verkostungsnotizen
Sauer & Hartwig – Urstrom – das natürliche Bier; Liquid Story – Knowledge is Power II – IPA – Co-Fermented with Wine Yeast; De Struise Brouwers – Robert the Great – Russian Imperial Stout [3 Jahre alt]; Sauer & Hartwig – Urstrom – das natürliche Ale; Allersheimer – 1854 Naturtrüb; Sierra Nevada – Cold Torpedo – Cold IPA
Sauer & Hartwig – Urstrom – das natürliche Bier (5,5%)
Spannend: Nirgends auf der Flasche steht, um was für einen Bierstil es sich handeln soll. Nur der Claim „organic Craft Bier“ beschreibt in merkwürdigem Denglisch, was in der Flasche ist, und anhand der Zutatenliste kann ich immerhin konstatieren: Ein Weizenbier ist es nicht.
Dafür aber ein sehr haltbares, denn dieses unfiltrierte Bier hat ein Mindesthaltbarkeitsdatum von 11/2024 – mehr als anderthalb Jahre in der Zukunft, und das Bier steht schon ein paar Wochen bei mir im Kühlschrank. Wow!
Die Farbe ist ein kräftiges Dunkelgelb, schon leicht ins Hellkupferfarbene gehend. Die Trübung ist nur dezent, und auch der kremige Schaum entwickelt sich nur zurückhaltend.
Der Duft ist dezent hopfig-herb und hat ein paar fruchtige Noten – ich rieche rote Beeren und etwas Orangenschale. Dem weichen Antrunk folgt ein leicht süßlicher, fruchtiger Eindruck auf der Zunge. Die Fruchtnoten wirken jetzt aber weniger frisch, sondern eher in eine warme Honigmatrix eingebettet. Auch eine leicht brotige Note erschmecke und errieche ich im Hintergrund. Eine dezent seifige Textur bildet sich auf der Zunge und im Rachen. Der Abgang ist geprägt von fruchtigen und malzigen Noten, aber auch frisch gemähtes Gras macht sich deutlich bemerkbar.
Eine recht eigene sensorische Kombination.
Das erste Mal habe ich dieses Bier vor elf Jahren auf der Grünen Woche in Berlin getrunken und habe es eigentlich wesentlich frischer und geradliniger in Erinnerung. Was man halt nach elf Jahren noch so erinnert …
Liquid Story – Knowledge is Power II – IPA – Co-Fermented with Wine Yeast (7,5%)
„Wissen ist Macht?“ Tja, warum soll man ein Bier nicht mal so benennen? Ich muss dann zwar immer an den alten Pennäler-Spruch denken, der so anfängt und dann mit „… aber Nicht-Wissen macht auch nichts!“ weitergeht, aber okay …
Eine Art Hybrid-Bier ist es wohl. Zwar nicht mit Traubensaft oder Mostvergoren, aber immerhin mit Weinhefe. Ich bin gespannt.
Das Bier ist dunkelstrohgelb und nur ganz dezent trüb. Der schöne, kremige und feste schneeweiße Schaum entwickelt sich reichlich und erfreut mit langer Haltbarkeit und schönen Trinkrändern im Glas.
Der Duft ist fruchtig, vorrangig rieche ich Maracuja, aber dahinter auch ein paar weinige Noten, die an einen jungen, fruchtigen Weißwein erinnern.
Der Antrunk ist spritzig und ein bisschen kohlensäurescharf, während auf der Zunge sofort ein leicht weiniger Charakter deutlich wird, der schön mit den ebenfalls leicht zu identifizierenden, retronasalen Maracuja-Aromen harmoniert. Fruchtig und frisch wirkt das Ganze, und vor allem schön leicht und spielerisch. Trotz der 7,5% Alkohol kein schwerer Malzkörper und auch keine scharfe Spritigkeit, sondern liebliches Aromenspiel.
Aber der Hopfen trägt mehr bei als nur die Maracuja-Aromen. Er bringt auch eine durchaus prägnante Herbe auf die Zungenränder, die verhindert, dass die tanzenden Aromenelfen zu übermütig werden. Hier am Rand bekommen sie die Flügel gestutzt und werden geerdet – das stimmt auf den Abgang ein, bei dem die Herbe nämlich endgültig die Oberhand gewinnt und die Schleimhäute am Zungengrund und im Rachen etwas trocken und leicht rau werden lässt.
Was das bedeutet? Na, trockene Schleimhäute machen immer Lust auf einen weiteren Schluck. Durst!
De Struise Brouwers – Robert the Great – Russian Imperial Stout [3 Jahre alt] (10,5%)
Das Bier ist schwarz und blickdicht. Sicherheitshalber halte ich das Glas noch einmal gegen die untergehende Sonne … aber es bleibt blickdicht. Lediglich beim Einschenken konnte ich sehen, dass es trüb ist. Der Schaum darüber ist nicht gerade üppig, er ist beigefarben und fällt recht rasch zu einem feinen Ring am Glasrand zusammen.
Der Duft ist für ein Stout erstaunlich wenig röstig und schokoladig. Nur im Hintergrund spüre ich etwas Mokka, etwas Bitterschokolade – der Vordergrund wird von fruchtigen Noten von Trockenpflaumen und anderem Dörrobst dominiert. Fast wie bei einem Quadrupel, und in der Kombination fast wie Ritter Sport Trauben Nuss.
Der Antrunk überrascht: Statt öliger Viskosität spüre ich als allererstes eine pfeffrige Schärfe. Na klar, das Bier ist schon etwas dicker in der Textur, aber noch lange nicht so, wie manche anderen „Motoröl“-Stouts der gleichen Alkoholliga.
Auf der Zunge kommen dann die Bitterschokoladen-, Kakao- und Mokka-Aromen etwas deutlicher aus dem Hintergrund hervor und tummeln sich auf der Bühne. Aber die erste Geige spielt weiter das Dörrobst. Die Trockenpflaumen, Datteln und Feigen.
Ich lasse das Bier eine Weile auf der Zunge hin und her schwappen. Sehr schön sind die Aromen, die jetzt doch ganz leicht röstig werdende Bittere, die malzige, sämige Textur. Sehr vielschichtig und komplex, und irgendwie habe ich vor lauter Hinundherschmeckerei gar keine Lust, zu schlucken.
Irgendwann ist es aber Zeit, und ich kann mich an einem Abgang erfreuen, der retronasal den bitteren Kakao noch weiter in den Vordergrund bringt, nun aber auch eine leicht spritige Note erzeugt, eine Note, die konsequenterweise auch nach dem Schluck den Rachen und die Speiseröhre leicht erwärmt. Jetzt kommen die zehneinhalb Prozent zum Tragen! Hinzu kommen noch ein paar dezent phenolische Tupfer.
Genau die leichte Spritigkeit und die Phenole im Abgang, die mit steigender Temperatur immer intensiver werden, sind es aber auch, die eine Spitzenwertung verhindern. Letztlich doch deutlich an der vollen Punktzahl vorbeigeschrammt.
Sauer & Hartwig – Urstrom – das natürliche Ale (5,5%)
So, hier nun das obergärige Gegenstück zum oben bereits beschriebenen „natürlichen Bier“ – das „natürliche Ale“. Eigentlich ja ein dummer Claim, denn was soll denn ein „unnatürliches Bier“ sein, von dem man sich mit dieser Formulierung abgrenzen müsste?
Auch hier steht wieder „organic Craft Bier“ auf dem Etikett – müsste es jetzt nicht konsequenterweise „organic Craft Ale“ heißen?
Immerhin gibt die Zutatenliste jetzt aber Weizen an – es wird sich also im weitesten Sinne um ein Weizenbier handeln.
Im Glas steht es kräftig dunkelgelb mit einem leichten Hauch ins Orangene. Es ist gleichmäßig trüb, bildet allerdings nur wenig von seinem schneeweißen Schaum aus.
Der Duft ist angenehm, aber dezent, fruchtig – ein paar Beerennoten identifiziere ich, die mir ob ihres estrigen Charakters aber eher von der Hefe als vom Hopfen zu kommen scheinen.
Es folgt ein milder Antrunk, der auf der Zunge wieder in die estrigen Frucht- und Beerenaromen übergeht. Bittere ist fast keine zu spüren. Weißbieraromen auch nicht. Aber es wirkt harmonisch und ausgewogen, spielerisch leicht und ausbalanciert. Und dieser Eindruck ändert sich auch nach dem Schluck nicht. Feine Frucht- und Beerennoten, nahezu keine Hopfenbittere, Leichtfüßigkeit und Lebenslust.
Ein Bier … deutlich besser als die Werbeclaims auf dem Etikett. Gebt dem Brauer eine Gehaltserhöhung und schmeißt Eure Werbefuzzis raus!
Allersheimer – 1854 Naturtrüb (5,0%)
Also, viele typische Kellerbiere oder Landbiere oder Zwickelbiere – oder wie sie auch immer genannt werden, die unfiltrierten, hellen Biere von kleineren und mittleren Brauereien – schmecken süßlich und dumpf, und ich habe manchmal schon gar keine Lust mehr, ein weiteres dumpfes Kellerbier zu trinken, das frisch schon so schmeckt, als sei es alt und oxidiert. Insofern gehe ich schon mit ganz langen Zähnen an dieses Bier ran.
Und werde enttäuscht. Enttäuscht in dem Sinne, dass meine Vorurteile nicht stimmen und mir dieses Bier richtig gut gefällt!
Die Farbe ist mittelgelb, die Trübung deutlich und schön gleichmäßig; der Schaum entwickelt sich nur so naja.
Der Duft ist leicht süßlich, aber nicht dumpf-süßlich, sondern spielerisch leicht. Fruchtig, lebendig, farbenfroh. Natürlich jetzt nicht gleich so, wie bei einem dieser Obstkörbchen-IPAs, das ist ja nicht der Stil für solche übertriebenen Spielereien, aber doch so, dass es zu spüren ist und dem Bier schon vor dem ersten Schluck eine leichtfüßige Note verleiht.
Der Antrunk ist spritzig und frisch, und auf der Zunge macht sich eine helle Frühlingsblütenhonignote breit, die begleitet wird von einer frischen, kernigen Bittere. Kein dunkler, schwermütiger Akazien- oder Waldhonig, wie ihn überlagerte Biere manchmal zeigen, sondern blumig-florale Tänze um den Maibaum.
Nach dem Schluck wird die Bittere dominanter, macht die Schleimhäute trocken und Lust auf den nächsten Schluck (Durchtrinkbarkeit!), bleibt aber sauber und wird weder breit noch nachhängend oder gar kratzig.
Feines Bier!
Zu guter Letzt studiere ich noch das Etikett. Ein bisschen Brauerlyrik findet sich da: „Allersheimer 1854, gebraut nach einer Rezeptur unseres Gründers Otto Baumgarten, unter Berücksichtigung des deutschen Reinheitsgebotes, ist eine hefetrübe Bierspezialität. Eingebraut mit drei verschiedenen Hopfensorten, mit dem Flavour exotischer Früchte, ergeben eine perfekte Geschmackskomposition. Die enthaltene Hefe entwickelt Aromen von Honig und Buttertoast in der Nase. Hierbei wird die leichte Süße von einer dezenten Bittere umspielt.“ Naja, wenn das Rezept von 1854 sein soll, dann passt der Rest der Geschichte aber nicht. Den Begriff „Reinheitsgebot“ gibt es erst seit Ende des Ersten Weltkriegs, als ihn Bayern als Kampfbegriff eingeführt hat, um den Beitritt zur Republik zu begleiten, und die Flavour-Hopfen, die exotische Fruchtaromen ins Bier bringen, waren damals wohl auch noch nicht gezüchtet. Ach, sei’s drum. Otto Normalbiertrinker erfreut sich immer an solchen Ammenmärchen. Der glaubt die Geschichte mit den sogenannten „Reinheitsgebot“ ja schließlich auch.
Und noch etwas überrascht: Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist vor immerhin sechs Wochen abgelaufen, und trotzdem schmeckt das Bier frisch und leicht. Tja, daran könnten sich manche Kreativbrauer mit ihren Abfüll-, Oxidations- und Infektionsproblemen mal eine Scheibe abschneiden!
Sierra Nevada – Cold Torpedo – Cold IPA (7,0%)
Cold IPA? Das ist doch wieder so ein typischer, amerikanischer Werbefuzzi-Kampfbegriff, oder?
Na, erstmal verkosten:
Das Bier hat eine schöne goldene Farbe, ist nur ganz leicht trüb und trägt eine stolze, schneeweiße Schaumkrone, die ewig lange hält und schöne Trinkränder hinterlässt.
Der Duft ist eher dezent. Feine Grapefruitnoten, ein Hauch Kräuter (Liebstöckel? Petersilie?) im Hintergrund, und das war’s auch schon.
Der Antrunk ist frisch, leicht pfeffrig scharf, und auf der Zunge gefällt das Bier mit einer sauberen Bittere, die sich sehr schön am Gaumen entlang ausbreitet. Dazu die dezenten retronasalen Kräuter- und Grapefruitnoten, die beide aber recht zurückhaltend sind. Kein klassisches, vor Früchten und tausenderlei Kräutern überbordendes India Pale Ale, sondern ein eher schlanker, ganz eleganter und dezenter Vertreter seiner Gattung. Genauso schlank bleibt es auch nach dem Schluck – der Abgang könnte problemlos zu einem mit viel Aromahopfen gebrauten Pils passen. Kernig, aber nicht ohne Stil und Eleganz. Eine durchaus lang anhaltende, aber nicht nachhängende oder raue Bittere. Macht Durst auf den nächsten Schluck.
So, und was hat es nun mit dem „Cold IPA“ auf sich? Im Gegensatz zu den immer fruchtiger, immer saftiger, immer kremiger werdenden New England India Pale Ales sind Cold India Pale Ales die Rückbesinnung auf kernig gehopfte, geradlinige und vor allem durchtrinkbare (!) Biere. Die Hefe wird an der Untergrenze ihrer thermischen Belastbarkeit geführt, gerade so warm, dass sie noch nicht das Gären aufhört. Ist immer noch etwas wärmer als bei einem Pils oder einem anderen untergärigen Bier (hat da jemand IPL, India Pale Lager gesagt?!?) und spart dadurch Energie oder macht das Brauen in nicht speziell für eiskalte Temperaturen ausgelegten (Ale-) Brauereien überhaupt erst möglich.
Das Ergebnis ist verdammt nah dran an einem IPL oder einem aromatisch gehopften und gestopften Pils. Könnte man also auch IPL oder Pils nennen. Wäre dann halt nicht so originell.
Und um es mit den Worten eines polnischen Bierkenners zu den Unterschieden zwischen Cold IPA und IPL zu sagen: „Piwowarzy warzący Cold IPA zarzekają się, iż różnice są na tyle wyraźne, iż te dwa rodzaje IP* są nie do pomylenia. Cynicy miewają inne zdanie.“ – „Cold-IPA-Brauer schwören darauf, dass die Unterschiede so deutlich sind, dass die beiden IP*-Typen unverkennbar sind. Zyniker haben eine andere Meinung.“
Ich auch.
Was mich zu meiner Eingangsbehauptung zurückbringt: Ein Kampfbegriff der Werbefuzzis!
Detmolder – Kellerbier; orca brau – blackfly – imperial stout; Kulmbacher – Eisbock – Original Bayrisch Gfrorns; Bergbräu Uslar – Original Altstadt Dunkel; Allersheimer – Corveyer Hell naturtrüb; Ægir Bryggeri – Lynchburg Natt – Barrel-Aged Imperial Porter; Liquid Story – Knowledge is Power II – IPA – Without Wine Yeast
Detmolder – Kellerbier (4,8%)
Kellerbier – eine vage, stets im definitorischen Ungefähren verbleibende Stil-Angabe. Man weiß nie, was man kriegt …
Diesmal ist es ein naturtrübes (das passt auf alle Fälle mal zur Erwartungshaltung) und sehr dunkelbraunes (das überrascht dann eher) und mit schönem, kremigem, beigefarbenem Schaum verziertes Bier mit malzigem, etwas brotigem, an frische Roggenbrotkruste erinnerndem Geruch.
Wow! Immerhin fünf Adjektive und ein Partizip, alle im Dativ. Wer sagt’s denn!
Der Antrunk ist leicht pfeffrig, der erste Eindruck auf der Zunge dann aber eher weich, rund und malzig. Auch hier wieder der leicht brotige Eindruck, gepaart nun allerdings mit einer durchaus deutlichen Bittere, die dieses Bier aus dem Kreise der gesichtslos-süßen Kellerbiere heraushebt.
Der Abgang ist kräftig, vom Malz geprägt und von der Hopfen- (und Röst-?) Bittere abgerundet. Ein Bier, das zunächst zum großen Schluck einlädt und Durchtrinkbarkeit verspricht, nach einiger Zeit dann aber doch recht sättigend wirkt. Was ich allerdings nicht als negativ verstanden wissen möchte – es gibt genügend Gelegenheiten, wo so ein Bier, das eine Teilmahlzeit ersetzen kann, durchaus angebracht ist.
(Und weil’s gerade so schön ist: Laut meinen Aufzeichnungen habe ich dieses Bier 2009 schon einmal getrunken, und damals wurde es beworben mit „Unser Kellerbier ist als naturtrübe Spezialität ausschließlich als Fassbier in 15- und 30-Liter-KEG-Fässern erhältlich.“ Nun, kaum sind vierzehn Jahre vergangen, gibt es dieses Bier halt auch in der Bügelflasche.)
orca brau – blackfly – imperial stout (10,5%)
Ach, orca brau. Das ist auch schon wieder viele Jahre her, dass ich die Brauerei mal besucht habe, und inzwischen hat der Felix aus dem improvisierten Betrieb mit gebrauchten und selbst zusammengebratenen Braukesseln eine bildschöne Profi-Brauerei gemacht. Aber an seiner Unterstützung für die Orcas hält er unverändert fest.
„orcas are free spirits. they are the masters of their own adventures and navigate life with their hearts. shain jackson“, schreibt Felix in seiner konsequenten Kleinschreibung auf das Flaschenetikett.
Das Bier läuft tiefschwarz ins Glas. Es ist viskos, kommt aber in seiner Zähflüssigkeit nicht an die Motoröl-Stouts heran, die ich gelegentlich zur Verkostung bekomme. Diese Pastry Imperial Stouts, die wirklich wie Altöl aus der Flasche fließen. Es scheint trüb zu sein, und es bildet überraschenderweise einen recht üppigen, bräunlichen Schaum, der allerdings, von feinen Resten abgesehen, nicht allzu lange hält.
Der Duft erinnert an frisch aufgebrühten Mokka – kräftige Kaffeenoten, Bitterschokolade, Kakao.
Auch im Antrunk spüre ich eine kaffeeartige Bittere, ebenso aber auch eine Schokoladensüße – beides hält sich auch in der Waage, wenn das Bier über die Zunge bis zum Gaumen fließt. Röstbittere, Schokoladensüße, Kaffeebittere, Kakaosüße. Retronasal wieder der Mokka.
Verstohlen schaue ich auf die Zutatenliste. Nein, es ist kein Kaffee drin. Oder er ist nicht angegeben. Wir werden es ja später sehen, ob ich nach dem Bier gut einschlafen kann oder nicht …
Nach dem Schluck beginnt die Bittere, zu dominieren. Sie wird immer kräftiger, immer ausgeprägter. Leider hängt sie auch ein bisschen zu lange nach, und so verliert dieses ausgezeichnete Bier im Schlussspurt ganz am Ende seinen fünften Stern.
Aber nur knapp!
Kulmbacher – Eisbock – Original Bayrisch Gfrorns (9,2%)
Das Bier ist dunkelrubinrot und leicht opalisierend. Der beigefarbene, kremige Schaum ist nicht der Rede wert – ruckzuck fällt er in sich zusammen.
Der intensiv malzige Duft wird immer stärker und präsenter, je mehr sich das Bier erwärmt.
Der Antrunk ist weich, weist aber trotzdem noch eine für einen Eisbock recht deutliche Spundung auf. Auf der Zunge prägt das dunkle Malz den Charakter: Viel Malzsüße, ohne dass das Bier zu klebrig wird, angenehme Blockmalz-Aromen (Ricola!), nur ganz leichte Röstakzente fern im Hintergrund. Und je wärmer das Bier wird, um so stärker bilden sich hochinteressante Lakritzaromen.
Nach dem Schluck wärmt das Bier sehr deutlich im Hals – ungewöhnlich kräftig, da es ja noch nicht einmal einen zweistelligen Alkoholgehalt hat. Aber es ist nicht spritig; der Alkohol spielt auch sonst in der Sensorik nur eine untergeordnete Rolle. Interessant.
Habe das Bier seit vielen, vielen Jahren nicht mehr getrunken und freue mich, angenehme Erinnerungen wieder auffrischen zu können.
Bergbräu Uslar – Original Altstadt Dunkel (5,2%)
Bei diesem Bier muss ich sofort an den unseligen Streit denken, den die Bergbrauerei Ulrich Zimmermann aus Ehingen vor zwei Jahren vom Zaun gebrochen hat, als sie der Brauerei Reichenbrand die Nutzung des Familiennamens Bergt verbieten wollte. Ein willfähriges Ossi-Opfer? Weil man sich an die fast namensgleiche Brauerei aus Uslar nicht herantrauen wollte?
Ach, egal, ich habe dazu genug in meinem Newsletter geschrieben …
Zurück zum Bier:
Achtundzwanzig Jahre ist es her, dass ich es das letzte Mal getrunken habe. Seinerzeit war es noch mit 4,9% Alkohol angegeben, und die Brauerei nannte sich noch Privatbrauerei Haffner und hatte seine Marke Bergbräu noch nicht zu ihrem Namen gemacht.
Das Bier ist kräftig rotbraun, in der Sonne strahlt es sogar ein bisschen rubinrot. Es ist blank filtriert und trägt einen dezent beigefarbenen, feinporigen Schaum. Der Duft ist malzig und dezent brotkrustenartig.
Dem runden und weichen Antrunk folgen angenehme Malzaromen auf der Zunge, erneut etwas Brotkruste, aber auch leichte Röstaromen und eine feine Bittere, die die Restsüße schön aufnimmt und ausbalanciert. Der Abgang ist dann recht unspektakulär. Langsam und gleichmäßig klingen die Aromen ab, die Herbe bleibt für einen kurzen Moment und verabschiedet sich dann auch höflich. Langsam verlässt sie rückwärts die sensorische Bühne.
Solide, alltägliche und durchtrinkbare Braukunst.
Allersheimer – Corveyer Hell naturtrüb (4,9%)
Eine lange Geschichte auf dem Rückenetikett: „Corveyer Bier schlägt die Brücke zwischen Tradition und Moderne, zwischen Innovation und Erbe. Diese besondere Bierspezialität wird nach alter Rezeptur eigens für das Kloster Corvey eingebraut. Ausgesuchte Hopfensorten geben dem Corveyer naturtrüb hell seinen dezenten, fruchtigen und milden Geschmack. Dieses feine, ausgeprägte Aroma macht das Corveyer naturtrüb hell zu einem besonderen Geschmackserlebnis.“
Hoffentlich hat sich die Brauerei mit dem Bier mehr Mühe gegeben wie mit dem zwar langen, aber, nun ja, doch eher nichtssagenden Etikettentext.
Das Bier ist hellgelb und leicht und gleichmäßig getrübt. Es trägt eine schöne, schneeweiße und kremige Schaumkrone und riecht … intensivst nach Diacetyl. Eine wahre Butterbombe. Warme, zerlassene Butter. Puh. So intensiv, dass es nicht nur einer tschechischen Landbrauerei zu Gesichte stehen würde, sondern dass ich fast schon der Täuschung erliege, die Schwaden an Diacetyl über dem Glas wabern zu sehen.
Im allerersten Moment ist der Antrunk noch ganz angenehm und frisch, aber kaum kommt das Bier auf der Zunge und am Gaumen an, schlägt das buttrige Aroma gnadenlos zu und überdeckt alles andere.
Es hilft nix, aber dieses Bier ist leider untrinkbar – und das, obwohl ich einen Hauch Diacetyl durchaus goutiere.
Auch wenn das Bier schon hart am Mindesthaltbarkeitsdatum liegt – es war durchgehend gekühlt, und das MHD ist genau das, was es ist: Ein Mindesthaltbarkeitsdatum, bis zu dem das Bier seine sensorischen Eigenschaften behalten sollte! Hat dieses aber offensichtlich nicht, denn ich kann mir kaum vorstellen, dass es als solche Diacetylbombe in den Verkauf gegangen ist.
Schade, insbesondere, da die Allersheimer Brauerei mit dem 1854 naturtrüb gezeigt hat, dass sie ganz vorzügliche Biere brauen kann, die sogar deutlich nach dem MHD noch hervorragend schmecken.
Ægir Bryggeri – Lynchburg Natt – Barrel-Aged Imperial Porter (10,0%)
Lynchburg Natt? Was immer das heißen soll …
Also, Lynchburg ist natürlich als Heimat von Jack Daniels bekannt. Klar. Da wird das Barrel-Aged also in Jack-Daniels-Fässern ausgebaut worden sein. Und Natt ist norwegisch und heißt Nacht. Lynchburg Nacht, also.
Naja.
Damit weiß ich, was es heißt, aber immer noch nicht, was es bedeutet. Es gibt immer wieder Werbeclaims, die nicht zünden …
Das Bier selbst ist aber über jeden Zweifel erhaben.
Schwarz und nur leicht trüb steht es im Glas, bildet nur vorübergehend einen schönen beigefarbenen und kremigen Schaum aus, aber zeigt sich dann etwas platt – nachdem der Schaum nämlich in wenigen Sekunden zusammengefallen ist.
Der Duft ist deutlich whiskyartig mit feinen Holz-, Vanille- und Röstmalz-Noten im Hintergrund. Sehr harmonisch und ausgewogen.
Dem leicht bizzeligen (Oh! Das hätte ich nicht erwartet!) Antrunk folgt ein weicher, komplexer Eindruck auf der Zunge. Schöne Röstmalznoten, eine weiche Süße, ein dezenter Hauch adstringierenden Holzes, angenehm verbrämt mit süßer Vanille. Dazu dezente Whisky-Aromen und eine nur ganz leicht Herbe – gerade genug, alles schön abzurunden und auszubalancieren.
Nach dem Schluck schmecke ich noch versonnen dem Bier hinterher – und bin unverändert beeindruckt von der Balance. Nicht so, wie die Skandinavier manchmal sind, also rustikal, ungehobelt, wikingermäßig, sondern fein ziseliert, ausgewogen und geduldig abgestimmt.
Ein wahrhaftiges Fünf-Sterne-Bier!
Liquid Story – Knowledge is Power II – IPA – Without Wine Yeast (7,5%)
Hm, hatte ich dieses Bier nicht schon vor ein paar Wochen?
Ich drehe die Dose in der Hand. Knowledge is Power II. Ja, finde ich in meiner Datenbank sofort wieder. Aber …
… diesmal steht auf der Dose „Without Wine Yeast“, also im Gegensatz zum seinerzeitigen Bier ohne Weinhefe vergoren.
Das ist jetzt ein bisschen ärgerlich. Hätte ich nämlich besser aufgepasst, so hätte ich diese beiden Dosen unmittelbar hintereinander trinken und direkt miteinander vergleichen können. So, mit fünf Wochen Abstand, ist es echt schwierig.
Leuchtend gelb und nur dezent trüb steht das Bier im Glas; darüber eine schneeweiße, feste, flockige und ewig haltbare Schaumkrone, die leichte Trinkränder hinterlässt. Der Duft ist herb fruchtig. Pampelmusen- und Mandarinen-Aromen fallen sofort auf, dahinter dann noch ein paar mehr, aber eher leichte, spielerisch-süße Fruchtaromen, die den Duft nur etwas abrunden, ohne substanziell etwas dazu beizutragen.
Der Antrunk ist frisch und herb, und auf der Zunge wirkt das Bier kernig-bitter mit nur einer recht geringen Rest-Malzsüße. Gerade genug, dass das Bier nicht zu bitter wirkt, mehr aber auch nicht. Retronasal dominieren erneut die bitteren Fruchtaromen, das Süße und Spielerische ist jetzt verschwunden.
Nach dem Schluck bleibt die Bittere noch eine Weile präsent. Sie ist nicht zu rau oder borstig, aber schon recht intensiv und lange anhaltend. Etwas weniger wäre immer noch gut gewesen. Aber: Das hat den Vorteil, dass ich geradezu nach dem nächsten Schluck lechze. Ist ja auch nicht schlecht!
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