Polnisch für Anfänger
Bierverkostung im Bierland Hamburg

Das Bierland in Hamburg. Wer Hamburg kennt und Bier liebt, der kennt und liebt auch Esther Isaaks Bierland, den kleinen, ehemaligen Kolonialwarenladen in der Seumestraße, in dessen winzigen und engen Räumchen es immer wieder neue Biersorten zu entdecken gibt. In einem der Räumchen veranstaltet Esther auch immer mal wieder Bierverkostungen, sei es im Rahmen der Barleys Angels (dann aber nur für Frauen), sei es unter dem Motto Afterwork Bierverkostung während der Woche nach Feierabend.

Meistens sind diese Veranstaltungen blitzschnell ausgebucht, und der Bierfreund macht ein langes Gesicht, hofft auf mehr Glück beim nächsten Event. Schön, wenn man dann zu Esthers Freundeskreis gehört und in diesem Rahmen eine ganz private Bierverkostung in fröhlicher, gleichwohl fachlich höchst qualifizierter Runde machen darf.

Zu siebt sitzen wir also rund um den Biertisch: Esther als Hausherrin (einer der Ausdrücke, wo die Genderfalle gnadenlos zuschnappt und die deutsche Sprache keinen Ausweg bietet, denn die Alternativen Hausdame oder Hausfrau wären hier wohl eher fehl am Platz…), Claudia, Nina, Arne, Tobias, Gerrit und Volker. Drei von uns sind bekennende Polen-Fans, haben Land, Leute und Bier Polens in ihr Herz geschlossen, und die anderen vier werden heute, am 18. November 2016, zu Polen-Fans gemacht.

miniatur-2Eine Kiste polnisches Bier steht unter dem Tisch. Und zwar nicht eine Kiste mit 20 x 0,5 l Tyskie, Lech oder Żywiec, wie man es mittlerweile in jedem größeren Getränkemarkt bekommt und dann unter dem Deckmantel des Exotentums doch wieder nur den großen Bierkonzernen wie Heineken (Żywiec) oder SABMiller (Lech und Tyskie) huldigen darf, sondern Bierspezialitäten kleiner und kleinster Brauereien. Craftbrauer, Wanderbrauer und experimentierfreudige Regionalbrauer.

Mit dabei haben wir alles, was man zum Verkosten braucht. Genügend schöne Gläser, reichlich Notizzettel und Stifte, aber eben auch Käse, Wurst und Wasser. Auf geht’s!

Wir beginnen mit dem Warmińskie Revolucje der Brauerei Kormoran aus Olsztyn. „Umgekehrte Hopfung“ verheißt das Etikett, soll heißen, ein Aromahopfen (Sibylla) ist zur Bitterung, ein Bitterhopfen (Marynka) für das Aroma eingesetzt worden. Nun ja. Wirklich überzeugt sind wir nicht – das Resultat ist und bleibt ein einfaches, wenn auch durchaus sympathisches Helles.

Es folgt von Browar Hopkins das Vendetta HTT Hallertauer Tradition. Tolles Etikett, wenn man sich auch nicht sicher ist, wie das Bier nun wirklich heißen soll. An einer Stelle steht HTH, an anderer HHT, dem Hopfen nach sollte es aber wohl HallerTauer Tradition HTT heißen, oder? Aber egal, es schmeckt leicht dumpf und enttäuscht. Trotz des Etiketts.

miniatur-1Die Browar Nepomucen folgt, mit einem Bier im Grätzer Stil, W Stylu Grodziskie. Ein leichtes Rauchweizen, also, mit 100% Weizenmalz gebraut, das über Eichenholz gedarrt wurde und daher einen besonderen Rauchgeschmack mitbringt. 2,6% Alkohol nur, durchaus ansprechend, aber etwas breit und kratzig im Abgang.

Noch ein zweites Grätzer folgt, das Fafik der Browar Artezan, den Urvätern des polnischen Craftbierwesens. Als Single Hop Galaxy gegenüber dem eigentlichen Stil ein wenig variiert. Der Galaxy-Hopfen gibt sich Mühe, aber der Grundgeschmack bleibt ein wenig dumpf.

Bis hierher noch nichts, was uns wirklich begeistert hätte, spannend war es gleichwohl.

Die Browar Zakładowy tritt nun auf, mit zwei Saison-Bieren. Zunächst ein eher klassisches, soweit man bei diesem Stil in Polen von Klassik reden kann, das Kombinator Saison. Durchaus ordentlich und solide. Und als zweites das Saison Porzeczkowy, also ein mit schwarzen Johannisbeeren, Porzeczki, vergorenes Saison. Nette Fruchtaromen, knochentrocken. Ganz witzig.

Auftritt der Browar Na Jurze. Eigentlich eine klassische Regionalbrauerei, bekannt geworden dadurch, dass die Craft-Pioniere von Pinta als Gastbrauer, also als Browar Kontraktowy, hier ihre Bierspezialitäten hergestellt haben. Und jetzt wohl auf den Geschmack gekommen und selbst mit besonderen Bierkreationen auf dem Markt. Heute das Owocowe Love Czarne, nicht nur ein englisch-polnisches Gemisch im Namen, sondern auch ein Fruchtgemisch im Bier. Fruchtig, frisch, sehr überzeugend. Schönes Bier! Die Runde strahlt!

miniatur-3Michał Kopik, Wanderbrauer unter dem Namen Browar Kingpin, bietet die nächsten beiden Biere. Die Erwartungen sind hoch, viel Gutes haben wir von ihm schon gehört und geschmeckt. Umso größer die Enttäuschung beim RocknRolla, das sich als American Pale Ale mit Orangenschalen und Eisenkraut (Verbena) ankündigt, aber dumpf und überlagert schmeckt. Muss am Transport liegen oder wirklich überlagert sein, denn das Bier kennen Gerrit, Nina und ich ganz anders, viel besser.

Das zweite Kingpin, das Mandarin, versöhnt uns sofort. Ein kräftiges American IPA mit Sencha-Tee. Spannend. Knackige Hopfenaromen, aromatische Bittere vom grünen Tee. Und recht stark – immerhin 7,3%!

Als nächstes zwei Klassiker. Das Atak Chmielu von Pinta. Das erste American IPA auf dem polnischen Markt seinerzeit. Heute leider ebenfalls enttäuschend, ebenfalls dumpf überlagert. Viel besser hingegen der Rowing Jack von AleBrowar, ebenfalls ein India Pale Ale. Frisch, fruchtig, kernig. So schön! Mehr davon!

Nein, doch lieber nicht, denn es stehen ja noch einige weitere Biere auf der Agenda. Zum Beispiel noch einmal die Bowar Zakładowy, jetzt mit dem Bumelant Polskie Ciemne Ale, einem polnischen dunklen Ale, also. Süffig und lecker. Nicht wirklich exotisch, aber in Ordnung.

Und noch einmal AleBrowar, jetzt mit dem Ortodox Stout. Überzeugt! Fein röstig, tiefschwarz, schön aromatisch. Na bitte, es wird stetig besser.

Nach dem Rumgetändel bis jetzt schlagen wir nun aber zu. Die Fanfaren erklingen, täterä!, und es kommen die Stars des Abends, die Baltic Porter. Neben dem Grätzer der zweite genuin polnische Stil. Neun Prozent Alkohol. Tiefschwarz. Knackig gehopft. Kräftiger Malzkörper. Komplexes Aromenspiel. Zwei Kandidaten treten an. Von der Browar Fortuna das Komes Porter Bałtycki, und von der Browar Kormoran das Porter Warmiński. Beides mustergültige Vertreter ihres Stils. Zweimal fünf Sterne.

Tusch! Und vorbei für heute. Das war der Höhepunkt und das Ende der Verkostung.

Wir spähen unter den Tisch. „Da stehen doch noch drei Flaschen“, wird gemäkelt. „Hm, ja…“ Die Antwort kommt zögerlich. „Das sind so Biere, die in die Choreographie nicht so richtig reinpassten. Die schmecken jetzt nach den Baltischen Portern bestimmt nicht mehr so überzeugend!“

Egal, wir machen weiter, und so kommt die Browar Na Jurze noch zweimal zum Zuge. Einmal mit dem Amerykańska Pszenica, einem kräftig gehopften Weizenbier. Lecker. Richtig gut! Fast schon in einer Liga mit dem legendären TAP 5 der Schneider Brauerei. Und zum anderen mit dem Buraczana Piana, einem Bier mit Aronia-Früchten und Rote Bete. Säuerlich-fruchtig von den Aronia-Beeren, etwas erdig-aromatisch von den Rote Bete. Sehr lecker, sehr interessant. Gut, dass wir weiter gemacht haben!

Und die letzte Flasche aus der Kiste, das Lodzermensch von der Piwoteka. Ein merkwürdiges Bier. Säuerlich wie eine Gose, etwas salzig, aber vor allem: Unharmonisch. Ein interessantes Experiment, mehr aber auch nicht. Jetzt aber wirklich Schluss für heute.

Polnisch für Anfänger. Wir alle haben viel (kennen-) gelernt. Spannende, überraschende, exotische, begeisternde und enttäuschende Biere – es war alles dabei. Sehr schön. Einen großen Dank an Nina und Gerrit, die die Biere besorgt haben. Und ebenso einen großen Dank an Esther, die ihr Bierland zur Verfügung gestellt hat.

Und nach der Pflicht folgt nun noch die Kür. Zwei Biere, nur für den Genuss. Nicht zum Verkosten, sondern zum Schwelgen. Zum schweigend Genießen. Großes Kino für den Gaumen. Esther holt je eine Flasche Gouden Carolus Indulgence Cuvée Sauvage Limited 2016 und Duchesse de Bourgogne aus dem Regal. Biere für gute Freunde.

Und das, das ist dann wirklich der krönende Abschluss. Tief in der Nacht noch einmal ein doppelter Hochgenuss. Beschwingt, glücklich, zufrieden treten wir den Heimweg an, verteilen uns wieder in alle Himmelsrichtungen.

Gut war’s.

Richtig gut!

Bilder

Polnisch für Anfänger
Bierverkostung im Bierland Hamburg
Seumestraße 10
22 089 Hamburg
Hamburg
Deutschland

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