Die Erfahrung von einigen Einkäufen hat gezeigt: Für einen Besuch im KommproBier, dem wunderbaren Bottle Shop in Langenargen am Bodensee, muss man Zeit mitbringen. Viel zu groß ist die Auswahl, viel zu wahrscheinlich ist es, dass man sich mit Helmut und Uli Heine, die den Laden betreiben, verquatscht. So sind wir heute, am letzten Tag unseres Kurzurlaubs, auch so rechtzeitig hierhergefahren, dass wir einen Zeitpuffer haben, dass wir gemütlich unsere Biere aussuchen können und dass auch ein Moment für ein gemütliches Pläuschchen bleibt.
Neugierig betreten wir den Laden und sehen uns um. Was ist aus der großen Halle geworden, in der immer am ersten Freitag des Monats der Tag der offenen Flasche stattgefunden hat? Was aus dem sogenannten Wohnzimmer, also dem großen Nebenraum mit den vielen Sofas, Sesseln und Stühlen, in dem wir uns haben hinsetzen und gemütlich verkosten können? Und was schließlich aus dem improvisierten Biergarten auf dem Parkplatz hinter der großen Halle? Was hat die CoViD-19-Pandemie alles verändert?
so sah das „Wohnzimmer“ in Vor-Corona-Zeiten aus
Im Laden selbst erstmal nicht viel, wie wir erleichtert feststellen können. Das Angebot ist unverändert riesig, wir können die Regale in den Kühlräumen durchstöbern und uns Kisten, Kästen und Kartons und schließlich den ganzen Kofferraum des Autos bis zum Rand füllen. Aber doch: Es dürfen nur wenige Kunden gleichzeitig in den Laden hinein, immer nur eine Person in jeden Kühlraum, und die entspannte Verkostung der Biere mitten in den Verkaufsräumen, neben der Kasse, vor den Kühlschränken oder zwischen den Regalen ist nicht mehr erlaubt. Und auch der Tag der offenen Flasche darf nicht mehr stattfinden – das dichte Gedränge von hunderten von Gästen und Bierliebhabern ist aus guten Infektionsschutzgründen verboten.
Aber Uli und Helmut haben aus der Not eine Tugend und aus den wenigen improvisierten Sitzgelegenheiten auf dem Parkplatz einen richtigen Biergarten gemacht, den sie nun auch täglich betreiben: Immer ab 11:00 Uhr vormittags, Ende offen – solange halt genug Gäste da sind. Nur sonntags ist und bleibt Ruhetag.
So kommt es dann auch, wie es kommen muss: Der Kofferraum ist mit vielen, vielen neuen und interessanten Bieren beladen, wir haben bezahlt und wollen, nachdem wir schon wieder über eine Stunde hier im Bierparadies verbracht haben, aufbrechen.
„Aber ein Bier verkosten wir doch noch zusammen im Biergarten, oder?“, fragt uns Uli, und wir können nicht nein sagen.
„Aber nur auf ein kleines Bier“, sagen wir, und Uli fügt hinzu: „Eines für jeden!“
Canned Heat – fast schon ein Autofahrerbier
Natürlich für jeden, das ist klar, und so bekommt meine holde Ehefrau, die sich freiwillig anbietet, ab jetzt die letzte Etappe zu fahren, ein Canned Heat von FrauGruber, ein Session Pale Ale mit gerade mal 2,9% Alkohol, das trotzdem ein richtig dickes Hopfenaroma und eine schöne Bittere einfährt. Sehr gelungen für ein Leichtbier, und damit auch ein feines Trostpflaster für die Chauffeurin.
Uli, Helmut und ich öffnen stattdessen eine große 0,75er Flasche eines 6,5%igen Biers, und zwar einer ganz besonderen Spezialität: In Kooperation der Münsteraner Gruthaus Brauerei und der Brauerei von Jan Kemker vor den Toren der Stadt Münster ist ein Dubbel Porse entstanden, ein Grutbier, das seine Würze und Bittere in erster Linie von Gagel, Wacholder und Kümmel bekommt und nur ganz wenig Hopfen enthält. Eine sehr interessante und ungewöhnliche Aromatik begeistert uns. Zwar kein Bier, von dem ich gerne ein großes Glas allein trinken möchte, aber eines, dessen komplexes Aromenspiel ich gerne in kleinen Schlucken genieße.
Dubbel Porse – ein Bier (fast) ohne Hopfen
Meine holde Ehefrau hat nach unserer schon recht langen Tour großen Durst und macht sich nun über ein paar alkoholfreie Biere her: Als erstes probiert sie das Brutal Alkoholfrei von Wolfscraft, dass die den alkoholfreien Bieren eigene Süße mit kerniger Hopfung überspielen möchte, dabei aber vielleicht doch etwas eindimensional bitter bleibt. Für ein Alkoholfreies nicht schlecht und um Größenordnungen besser als die Massenprodukte von Clausthaler und Konsorten, aber es fehlt trotzdem noch das gewisse Etwas.
Nach dem Dubbel Porse habe aber auch ich Durst auf ein richtiges Zischbier, das ist auch in großen Schlucken genießen kann und darf, und mit dem Ruhr Export der Brauerei Mücke aus Essen finde ich auch das richtige Bier dafür. 5,5% Alkohol, kräftig, malzig, ein bisschen kernig – das könnte ich mir auch als Alltagsbier ganz gut vorstellen.
Völlig anders hingegen das Ingwer Pale Ale, ebenfalls aus dem Hause Mücke. Zwar ebenfalls hervorragend durchtrinkbar, mit 4,9% Alkohol nicht zu stark und somit auch ein Bier für den großen Schluck, aber mit seinen fruchtigen und nur dezent scharfen Ingwer-Aromen vor dem kräftigen Hopfen-Hintergrund ein ganz anderes geschmackliches Erlebnis.
frische Paella direkt aus der Pfanne
Unbewusst haben wir mit diesem Bier aber eines erwischt, das perfekt zu der Paella passt, die jetzt gerade serviert wird. Helmut und Uli haben nämlich nicht nur Biergartenbetrieb und ein paar kleine Snacks in ihr Angebot aufgenommen, sondern ab und an wird auch gekocht. Freunde, Nachbarn, Partner – es ist Langenargener Street Food, wenn man so will. Und heute eben eine ausgezeichnete Paella. Frisch aus der riesigen Eisenpfanne.
Meine Frau hält sich derweil tapfer an alkoholfreien Bieren fest und testet das Zwickel alkoholfrei von Heinz vom Stein aus der Schlossbrauerei Stein in Stein an der Traun. Sehr süffig, ein bisschen, aber nur ein bisschen nach Getreide schmeckend, sonst aber schön kernig.
Wir anderen machen jetzt den Sprung ans gegenüberliegende Ufer des Bodensees und trinken ein Bier aus der Schweiz, von der Brauerei Schützengarten. Das Gallus 612, ein sogenanntes Old Style Ale mit 5,6% Alkohol gefällt uns aufgrund seines kräftigen und aromatischen Zusammenspiels von Hopfencharakteristik und festem Malzkörper vorzüglich.
vorzügliches Bier aus der Schweiz
Davon hätte es gerne auch eine zweite Flasche sein können, aber angesichts der Riesenauswahl bei KommproBier greifen wir natürlich gerne zu einem weiteren Bier: Aus dem Hause Braufactum kommt es, also eigentlich ein Bier mit industriellem Hintergrund, wenn auch auf kleiner Anlage produziert. Soleya heißt es, ist ein Saison, hat 6,5% Alkohol und erweist sich als sehr würdiger Vertreter dieses Bierstils. Der Alkoholgehalt ist kaum spürbar und die Saison-Hefe gibt dem recht würzigen Bier noch einen kleinen wilden und etwas ungestüm wirkenden Touch. Genau so sollte ein Saison schmecken.
„Und was kommt als nächstes?“, frage ich in die Runde und bekomme einen Stoß in die Rippen. „Gar nichts mehr – wir sitzen hier schon seit Stunden“, meldet sich meine Frau. „Irgendwann geht auch der schönste Urlaub und die schönste Bierverkostung zu Ende!“
Zwar brauchen wir nach der Paella daheim nichts mehr essen, aber trotzdem: Sie hat recht, es ist schon spät, und die Fahrt nachhause zieht sich noch ein wenig.
Aber schön war die heutige Spontanverkostung dennoch, und der rund um unseren Tisch stetig wachsende Kreis von Mittrinkern und -genießern tat sein Übriges, um diesen Nachmittag und Abend zu einem Erlebnis zu machen. Fast schon ein Ersatz für einen „richtigen“ Tag der offenen Flasche …
Der Bottle Shop KommproBier zeigt sich angesichts der Corona-Krise innovativ. Montags bis donnerstags ist neben dem Ladengeschäft auch ab 11:00 Uhr vormittags bis die letzten Gäste gegangen sind, Biergartenbetrieb. Der Parkplatz hinter dem Laden wurde zu einem Biergarten umgewidmet, und für schlechtes Wetter und die kalte Jahreszeit ist die große Halle mittlerweile in einen Indoor-Biergarten umfunktioniert worden, in dem auch unter Pandemiebedingungen einige Gäste mit genügend Abstand voneinander Platz finden. Laden und Biergarten liegen am Rand eines Wohngebiets und sind in einem zügigen Spaziergang in gut einer Viertelstunde vom Bahnhof Langenargen aus zu erreichen.
Verkostung bei KommproBier
Mühlstraße 28
88 085 Langenargen
Baden-Württemberg
Deutschland
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