Biertasting
Hamburg und sein Bier
1000 Jahre Biergeschichte

Dass Hamburg eine mehr als tausendjährige Biergeschichte hat und einst sogar als Brauhaus der Hanse galt, wissen nur die wenigsten – meistens fokussieren wir uns gedanklich auf Bayern und die dortigen Brauereien und fallen somit rasch auf die marktschreierische Selbstvermarktung dieses südlichen Volksstammes rein …

Grund genug für Thorsten Schlosser von der nagelneuen Locksmith Brewing in Hamburg Volksdorf, einmal ein Bierseminar zur Biergeschichte Hamburgs anzubieten!

Mit rund fünfzehn Gästen sitzen wir ein wenig improvisiert im hinteren Teil des Schankraums der Brauerei, und entschuldigend zeigt Thorsten zunächst mal auf die noch in der Ecke lagernden Bauteile. „Wenn es nach mir ginge, dann wären wir schon längst fertig, aber derzeit kämpfen wir noch mit der Stromversorgung – da war wohl unser lokaler Stromversorger etwas überrascht, wieviel Strom so eine kleine Brauerei ziehen kann“, lacht er. „Wenn alles gut geht, dann können wir aber Anfang 2025 endlich mit dem Brauen beginnen.“

Bis dahin gibt es sein eigenes Locksmith-Bier nur in der Flasche – nach seinem eigenen Rezept lohngebraut und abgefüllt in Bremen. Und mit eben diesem Bier beginnen wir auch die Verkostung. Das 5,2%ige Locksmith Wiener Lager soll den ersten Durst stillen und im Zusammenhang mit dem heutigen Verkostungsthema den Endpunkt der Entwicklung darstellen: Hamburgs Bierkultur heute. Rötlich leuchtend steht es im Glas und trinkt sich zügig weg. Prädikat: Durchtrinkbar!

Thorsten erzählt von den Anfängen des Bierbrauens. Davon, dass die Biere früher alle eher dunkel waren, dass es rote Biere gegeben habe, braune und weiße. Und dass eigentlich alle Biere seinerzeit rauchig waren, da das Malz über Holzfeuer gedarrt worden sei und dadurch immer einen gewissen Rauchgeschmack aufgenommen habe.

Als ein Beispiel, wie ein Rotbier vielleicht geschmeckt haben könnte, nimmt er das 4,9%ige Duckstein, das ursprünglich mal als rotblonde, regionale Spezialität auf den Markt gebracht worden ist, mittlerweile aber von Carlsberg vermarktet wird und von dem daher nicht einmal mehr bekannt ist, in welcher der vielen Braustätten Carlsbergs es denn hergestellt wird. Dem deutschen Lebensmittelrecht ist leider Genüge getan, wenn der Inverkehrbringer auf dem Etikett genannt wird, also Carlsberg Deutschland, egal, wo das Bier tatsächlich entstanden ist.

Um uns einen Eindruck der Rauchigkeit der damaligen Biere zu geben, versetzt Thorsten jedes Glas mit einem kleinen Schuss Schlenkerla Märzen, wir trinken nun also eine Cuvée aus Duckstein und Schlenkerla. Rotbier mit Rauch. Hochinteressant.

sechs verschiedene Biere gab es zu verkosten

„Vor vielen hundert Jahren schon wurde in Hamburg weißes Bier hergestellt“, erzählt Thorsten weiter und leitet zum folgenden Bier über. „Weißes Bier im Sinne von hellem Bier mit Weizen.“ Möglicherweise hat es so geschmeckt, wie unsere nächste Bierprobe, nämlich das 6,5%ige Oat White Ale aus dem Hause Ratsherrn. Ein kräftig gehopftes Bier, bei dem typische Weißbieraromen wie zum Beispiel die überreife Banane mit spannenden Hopfenflavours, in diesem Falle fast schon ätherisch frisch wirkenden Noten, konkurrieren.

Thorsten springt von einem Thema zum anderen und sprudelt schier über vor Wissen und Begeisterung. Manchmal verliert er ob dieser Begeisterung den Faden, aber immer ist es kurzweilig, was er zu erzählen hat.

Das nächste Bier, das es zu verkosten gilt, ist das Prototyp, ein 5,9%iges, kräftig kaltgehopftes Lager der Kehrwieder-Brauerei – das einzige Bier, das es heute Abend vom Fass gibt. Der Prototyp als das seinerzeit erste Bier der neu gegründeten Kehrwieder-Brauerei gilt einerseits als Benchmark für die modernen Craftbiere, andererseits hält es auch als Beispiel her, dass die Brauer früher schon Biere hopfengestopft haben, um sie haltbarer und aromatischer zu machen.

Ein bisschen kräftiger wird es nun mit dem 7,9%igen Doppelbock der Wildwuchs Brauerei von Fiete Matthies, dem Bock Orange. Kräftig, würzig, mit Orangennoten und einem kernigen Charakter. In meiner persönlichen Bewertung eher ein Bier im Stil der niederländischen Bokbiere (mit einfachem „k“), gar nicht so sehr ein Aushängeschild für klassische, deutsch Bockbiere.

Die Zeit ist nur so verflogen, und auch wenn Thorsten in seinen Erzählungen das eine oder andere Mal weit aus dem Thema Hamburgische Biergeschichte herausmäandriert ist, war es eine Freude, ihm zuzuhören.

Zum Abschluss zeigt er uns noch seine wegen fehlendem Stromanschluss leider immer noch nicht betriebsbereite Brauerei, und zwischen den Sudkesseln dürfen wir das letzte Bier des heutigen Abends verkosten – den Senatsbock Barrel Aged #1 Doppelbock mit sage und schreibe 12,0% Alkohol. Im Jahr 2022 hat ihn die Kehrwieder-Brauerei in Blended Whisky Fässern eingelagert – volle zwölf Monate lang. Vor dem Whisky war in den Fässern Sherry gewesen, so dass nun sowohl leichte Sherry- als auch deutlichere Whisky-Noten im Bier zu spüren sind. Hinzu kommen holzige und vanillige Noten vom Eichenholz sowie schokoladige, karamellige, pfeffrige, lakritzige und gewürznelkenartige Aromen aus dem Bier selbst. Sehr komplex, so dass der als Jahrgang 2023 angebotene Senatsbock das absolute Highlight des heutigen Abends darstellt.

Ein wirklich krönender Abschluss!

zum Abschluss ein Blick ins Sudhaus

Ein bisschen ist uns ob der gewaltigen Informationsfülle das Leitthema Hamburger Biergeschichte in den Hintergrund geraten, vielleicht lag es auch an der lauten Musik im Schankraum, die es nicht immer leicht machte, Thorsten in allen Details zu folgen, aber es ist in der Rückschau trotzdem ein schönes Tasting.

Beschwingt und zufrieden machen wir uns auf den Weg zur U-Bahn und wissen: Das war mit Sicherheit nicht unser letzter Besuch in der Locksmith Brewing mitten im Ortskern von Volksdorf.

Bildergalerie

Biertasting
Hamburg und sein Bier
1000 Jahre Biergeschichte
Locksmith Brewing
Im Alten Dorfe 24
22 359 Hamburg
Hamburg
Deutschland

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