Nachtrag 30. Juni 2021: Fast ein Dreivierteljahr ist vergangen, die Pandemie hat im Winter ein zweites und im Frühjahr ein drittes Mal zugeschlagen. Zur Zeit scheint aber wieder alles ruhig zu sein. So gönnen wir uns einen schönen Sommerabend auf der Durchreise in Bayreuth und kehren dabei natürlich im Liebesbier ein. Der Biergarten ist zwar komplett ausreserviert, aber der freundliche Kellner findet noch einen schönen Platz für zwei mit Blick sowohl in den Biergarten als auch auf das Sudwerk.
Während ich mir angesichts der sommerlichen Wärme zunächst ein leichtes Bier zum Zischen bestelle, und zwar das Sommerbier von Schanzenbräu aus Nürnberg, überrascht mich meine holde Ehefrau damit, wie sie sich das Noctus 100 aus der Riegele BierManufaktur bestellt, ein schweres Imperial Stout mit 10,0% Alkohol. „Ich trinke heute nur ein Bier, und dann darf es auch etwas Besonderes sein“, stellt sie fest und beendet damit jede Diskussion über Sinn und Unsinn eines solchen Biers bei Temperaturen um die 27°C.
Sommerbier und Noctus 100
Die schweren, schokoladigen und mokkaartigen Aromen und die fast schon ölige Konsistenz des Biers scheinen ihr zu behagen, genüsslich lässt sie jeden einzelnen Tropfen dieses wirklich außergewöhnlichen Biers über die Zunge gleiten. Mein Sommerbier mit gerade einmal 3,5% Alkohol hingegen verleitet zu großen Schlucken. Die Temperatur auch, und in wenigen Augenblicken habe ich mein großes Glas geleert. Gut gefallen hat es mir, dieses Zischbier. Gar nicht so dünn, wie der Alkoholgehalt vermuten ließe. Stattdessen ein runder, weicher und voller Geschmack, der durch eine ganz dezente Diacetylnote noch ein bisschen Charakter bekommt. Ein herrliches Bier, wie ich es in Tschechien auf dem Land in einer winzigen Dorfbrauerei eher vermutet hätte als hier in Deutschland, wo jede noch so zarte buttrige Diacetyl-Andeutung verpönt ist. Sehr schön!
Und so sind wir mit dem Auftakt beide zufrieden!
Die Speisekarte lockt mit interessanten Gerichten. Der große Burger für meine Frau (Heute hat sie es aber mit dem kräftigen, deftigen Genuss!) ist zwar nichts Originelles, kommt aber sehr schön arrangiert und auf den Punkt gebraten daher; die frittierten Salatköpfe mit Pfifferlingen und Zanderfilet auf meinem Teller bestechen mit frühlingshafter Leichtigkeit und vielfältigen Aromen.
das Essen hat vorzüglich gemundet
Ich wähle das SummerCrew Session IPA aus der Serie Maisel & Friends dazu, ein leichtes India Pale Ale mit 4,3% Alkohol. Eigentlich keine schlechte Wahl, denn die feinen Hopfenaromen harmonieren gut mit der Speise, aber dennoch bin ich nicht ganz glücklich: Obwohl ein kleines bisschen alkoholstärker, scheint das Session IPA dünner und fast schon etwas wässriger zu sein als das Sommerbier vorher und vermag mich nicht wirklich zu begeistern. Die umgekehrte Reihenfolge wäre vermutlich besser gewesen – erst das Session IPA, dann das vollmundigere Sommerbier.
Spaßeshalber frage ich meine Ehefrau, ob sie noch ein weiteres Bier trinken möge, aber sie winkt lachend ab. Mit dem Zehnprozenter haben sie nun wirklich genug und sei zufrieden, und überhaupt: So, wie ihr heute der Sinn stünde, käme sowieso nur noch ein einziges anderes Bier der umfangreichen Karte in Frage, und zwar das 8,5%ige Black Shark, das Imperial Black IPA der Camba Bavaria. Zwei solcher Hammerbiere hintereinander seien aber viel zu viel.
„Voila, eine Kostprobe des Hauses, ein kleines Schlückchen vom Black Shark“, lässt sich unser Kellner vernehmen und stellt mit Schwung ein kleines Probiergläschen des tiefschwarzen Imperial Black IPAs vor meine Frau hin. Kann er Gedanken lesen? Gerade erst haben wir uns über dieses Bier unterhalten, und schon steht es vor uns!
Black Shark
Aber so schnell hätte er beim besten Willen nicht zapfen können, selbst wenn er uns zufällig belauscht hätte – das war wohl nur ein absoluter, wenn auch glücklicher Zufall. Zufrieden genießen wir den kleinen Probierschluck, die kernige Herbe des Hopfens, die dezente Röstbittere des Malzes, die leichte Wärme des Alkohols.
Ein etwas robusteres Bier zum Abschluss darf es für mich aber heute noch sein – irgendwie habe ich Durst. Und so rundet ein Bayreuther Rauchmärzen, ein Bier aus dem Hause Maisel, den Abend für heute ab. 5,5% Alkohol, eine kräftige Farbe, ein stabiler Schaum, ein vollmundiger Körper und – vor allem! – eine kräftige, aber nicht übertriebene Rauchnote fügen sich zusammen zu einem Bier, das gut durchtrinkbar bleibt, andererseits aber auch Appetit macht, Appetit auf eine deftige Speise, auf Schäuferla, auf Schweinsbraten oder gar auf eine ordentliche Haxe. Aber das werden wir ein andermal genießen.
Liebesbier
Die Maisel-Brauerei in Bayreuth – eine alte Brauerei, die es verstanden hat, sich erfolgreich durch Krisen und Kriege zu manövrieren, zwischendurch ihr Portfolio mehrfach angepasst hatte und seit einigen Jahren mit großem Erfolg auch Kreativbiere vermarktet. Das neue Brauhaus ist ein eher gesichtsloser Zweckbau, das alte Sudhaus hingegen ein Schmuckstück aus roten Ziegeln, in dem eines der größten und vielfältigsten Brauereimuseen untergebracht ist, das ich kenne.
der Biergarten ist heute leider geschlossen
Seit dem Frühjahr 2016 sind Brauerei und Museum ergänzt durch eine Bier-Erlebnis-Welt, das Liebesbier. Bereits das Schild der Bushaltestelle direkt oberhalb des Liebesbier informiert den Besucher, wo er angekommen ist. Ein paar Schritte nur gehe ich von hier aus, und Augenblicke später stehe ich vor dem Biergarten und sehe linker Hand den Eingang zum Liebesbier, gekennzeichnet durch eine Hopfendolde mit einem Herzchen in der Mitte.
die Liebesbier-Hopfendolde trägt ein Herzchen in der Mitte
Ich gehe unter dem Herz hindurch, wende mich nach rechts und stehe direkt vor der Theke und am Rand des Schankraums. Warme Brauntöne herrschen vor, alles ist neu und mit neuzeitlichen Materialien eingerichtet und dekoriert, aber die Atmosphäre ist trotzdem auf den ersten Blick bereits heimelig und einladend. Das ist dem Innenarchitekten gelungen.
der Thekenbereich ist ansprechend gestaltet
Nach den aufgrund der steigenden Infektionszahlen noch wichtiger gewordenen Desinfektionsmaßnahmen und der Erfassung meines Besuchs mit Datum und Uhrzeit nehme ich an einem der kleinen Tische direkt gegenüber der Theke Platz und … genieße die Aussicht. Nur eine dicke Glasscheibe trennt mich nämlich vom in bunten Bonbonfarben illuminierten Edelstahlsudwerk. Einen schöneren Platz kann man als Bierreisender kaum haben, vermittelt er mir doch das Gefühl, mein Bier mitten im Sudhaus zu trinken.
man sitzt und trinkt quasi mitten im Sudhaus
Die Bierkarte bietet mir zwanzig verschiedene Biere vom Fass zu Auswahl. Das gesamte klassische Maisels-Sortiment ist dabei, die Maisel & Friends Serie ebenfalls, und dazu noch eine Handvoll kreative Biere im derzeit so beliebten New England IPA Stil. Und mittendrin hat sich ein Veltins Pilsner verirrt – ein Zugeständnis an die Vertriebsgemeinschaft der beiden Brauereien, stilistisch aber nicht so richtig auf diese Karte passend, insbesondere, weil das zugegebenermaßen in gleichbleibend hoher Qualität gebraute Veltins mir noch nie so richtig in die Kategorie Pils gepasst hat, da es dafür viel zu zurückhaltend gehopft, dafür aber umso aggressiver gespundet ist. – Ergänzt wird die Fassbierauswahl durch eine schier endlose Liste von Flaschenbieren.
Maisel – Hoppy Hell
Nach nur kurzer Bedenkzeit entscheide ich mich für ein Hoppy Hell von Maisel mit 5,3%. Ein klassisches Helles, aber stärker und aromatischer gehopft. Goldfarben, leicht trüb, mit feinem weißen Schaum steht es im schlichten, mit Hopfendolde und Herzchen dekorierten Pint-Glas (Sleever) vor mir. Das Hopfenaroma ist dezent, aber spürbar, der Antrunk weich, die Hopfenaromen und die Bittere im Abgang präsenter als für diesen Bierstil üblich. Ein Bier für den großen Schluck, das dennoch nicht einfach nur glatt runtergeht, sondern vorher auf sich aufmerksam zu machen versteht. Sehr gelungen.
Während ich mein Bier genieße, schaue ich ein wenig in die Runde. Es ist nicht allzu viel los. Nicht alle Tische dürfen besetzt werden, an die einzelnen Tische dürfen nur kleinere Gruppen. Das Virus kontrolliert die Geselligkeit und hält sie in Zaum. Das Personal gibt sich viel Mühe, es für die Gäste trotzdem schön zu gestalten, man ist freundlich und aufmerksam und erklärt die Biere auch gerne etwas ausführlicher. Wie schön wäre es jetzt, im Getümmel an der Theke zu stehen, Gleichgesinnte zu treffen, zu fachsimpeln und sich kreuz und quer durch das Angebot zu trinken.
Stattdessen freundschaftliche Distanz und eine leere Theke …
SamBa – NEIPA
Nachdem mit dem Hoppy Hell der erste Durst gestillt ist, wähle ich nun das SamBa NEIPA, ein New England India Pale Ale, das in Kooperation der Camba Bavaria mit Samuel Adams aus den USA entstanden ist. 7,2% hat es, eine dunkelgelbe Farbe, einen feinen und kremigen Schaum, und es wird in einem bauchigen Glas serviert. Natürlich mit Dolde und Herzchen.
Das Bier überrascht mich positiv. Zwar spielt es stilgetreu mit dem Kontrast zwischen fruchtigem Geruch und kräftiger Bittere im Geschmack, aber es balanciert diese beiden sensorischen Erlebnisse gut aus, setzt nicht so extrem auf den Hammer-Effekt, der nach einem tropischen Obstkorb in der Nase anschließend die Zunge und den Gaumen mit adstringierender Bittere malträtiert. Nein, der Übergang ist angenehmer, weicher, fließender, so dass ich diesem Bier, obwohl ich kein NEIPA-Fan bin, durchaus etwas abgewinnen kann.
Maisel – Bajuvarus-Weizenbock
Ein drittes und letztes Bier möchte ich mir noch gönnen, bevor es wieder zurück ins Hotel geht. Ich frage den jungen Kellner, ob es den Maisel Bajuvarus-Weizenbock wirklich nur, wie in der Getränkekarte ausgeworfen, als 0,5-l-Größe gebe, denn das sei angesichts der 7,5% Alkohol vielleicht doch ein bisschen viel. „Nein, nein“, schüttelt er den Kopf. „Ich kann Dir auch einen Schnitt bringen!“
Was für eine schöne Überraschung. Ein Schnitt von einem Weizenbock – mal etwas ganz anderes. Und so bekomme ich ein elegantes, geschwungenes Weizenglas (mit Hopfendolde und Herzchen …), das aber nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist. Fruchtige, estrige Aromen steigen mir in die Nase, der Antrunk ist süßlich, rund, sehr voll und weich, und im Abgang ist nahezu keine Bittere zu spüren. Stattdessen retronasal erneut viele fruchtige Eindrücke, und nach dem Schluck spüre ich eine feine Wärme. Ein vorzüglicher Abschluss dieses Besuchs, ein Weizenbock, wie er besser kaum sein kann.
das Sudwerk wird beeindruckend illuminiert
Bevor ich das Liebesbier wieder verlasse, mache ich aber noch einen kleinen Rundgang durch die Räumlichkeiten. Die kleine Brauerei ist von allen Seiten durch große Panoramascheiben gut einsehbar – wenn hier gebraut wird, kann man jedes kleine Detail der Arbeit beobachten. Weiter hinten sind noch ein paar großzügige Gasträume mit vielen Tischen – unter normalen Umständen könnte man dort nach Herzenslust essen und trinken, den ganzen Abend viel Spaß haben, und bestimmt gibt es hier auch die eine oder andere Live-Veranstaltung.
hier gibt es eine Riesenauswahl an Bierspezialitäten
Auf der anderen Seite des Eingangs ist die Schroterei & Bier-Shop, jetzt zu später Stunde allerdings geschlossen. Ein Bierspezialitätengeschäft, in dem angesichts des gewaltigen Angebots keine Wünsche offen bleiben dürften.
Eine schmale Treppe führt nach oben in den ersten Stock, wo in einem Seminarraum Bierverkostungen, Vorträge, Bierseminare und Schulungen stattfinden.
der Seminarraum im Obergeschoss
Das Liebesbier trägt seinen Titel Bier-Erlebnis-Welt also nicht zu Unrecht. Von der Brauerei über die Bar und das Restaurant mit Biergarten bis zum Geschäft und der Seminarstätte ist alles da, und nur wenige Schritte weiter ist ja auch noch das riesige Museum. Ein schöner Anlaufpunkt für den Bierliebhaber, und Abwechslung genug für einen ganzen Tag.
Aber leider erst dann wieder, wenn wir die CoViD-19-Pandemie unter Kontrolle haben …
Angesichts der Pandemie ändern sich die Öffnungszeiten derzeit unvorhersehbar – auf der Website von Liebesbier sind aber sehr aktuell die jeweils geltenden Zeiten nachzulesen. Zu erreichen ist die Bier-Erlebnis-Welt entweder zu Fuß in wenigen Minuten von der Altstadt aus, oder man nimmt den Stadtbus und steigt an der Haltestelle namens, na?, eben, genau!, Bier-Erlebnis-Welt aus.
Liebesbier Restaurant & Craft-Bier
Andreas-Maisel-Weg 1
95 445 Bayreuth
Bayern
Deutschland
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